Mitte April hat die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner zusammen mit dem Landesverband Gartenbau Rheinland-Pfalz e. V. die Balkonpflanze des Jahres vorgestellt. Bei dieser handelt es sich um eine Neuzüchtung von Bidens ferulifolia mit dem Namen »Bienenstern«. Offensichtlich um diese Zierpflanze besser vermarkten zu können und um dem Sortennamen Rechnung zu tragen, wird nun werbewirksam behauptet, Honig- und Wildbienen würden von Bidens-Arten angezogen und jeder, der diese Pflanze kultiviert, würde einen Beitrag zur Biodiversität leisten. Stimmt das überhaupt bzw. gibt es hierzu verläßliche Daten zur Nutzung der Blüten durch Wildbienen, die diese Behauptung belegen können? Oder hängt man auch hier wie in manch anderen Fällen (»Insektenhotels«) dem Produkt ein »Naturschutzmäntelchen« um, um aus dem noch immer großen Interesse an Wildbienen Profit zu machen? Dies soll in den kommenden Monaten näher untersucht werden, um eindeutige Aussagen machen zu können. Bisherige Untersuchungen zum Blütenbesuch von Wildbienen an exotischen Zierpflanzen zeigen oft Mängel in der Genauigkeit der Methoden.
Zum Verkauf angebotene Exemplare von Bidens ferulifolia in einem Gartenmarkt. (Beachte die Honigbiene in der Bildmitte!) (24. April 2021).
Die Gattung Bidens (Zweizahn), die ihren Namen den Zähnen an ihren Früchten verdankt, gehört zur Familie der Korbblütler (Asteraceae, Unterfamilie Asteroideae) und ist nahezu weltweit verbreitet, wobei die meisten Arten in der Neuen Welt und in Afrika vorkommen. Die Florenliste von Deutschland (Version 11) nennt elf Arten, von denen sechs eingeschleppt sind (siehe auch Parolly & Rohwer 2019). Die heimischen Arten sind alle Bewohner feuchter Standorte wie Fluß- und Teichufer, Gräben und Altwasser.
Die Art, von der es die meisten (Neu-)Züchtungen gibt, ist Bidens ferulifolia (»Goldmarie«), eine ursprünglich in den südlichen USA und in Mexiko heimische Art. Die körbchenartigen Blütenstände setzen sich aus Röhrenblüten und Zungenblüten zusammen. Die durch intensiv gelbe, orangefarbene, rötliche oder zweifarbige Blütenkörbchen auffallenden, krautigen Pflanzen werden als einjährige Schmuckpflanzen häufig in Balkonkästen, Kübeln oder in Blumenbeeten kultiviert. Bei sachgerechter Pflege sind sie reich- und langblühend. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder neue Züchtungen angepriesen und in den Zierpflanzenhandel gebracht.
Blütenkörbchen des Zweizahns mit einer Nektar trinkenden Honigbiene.
Was die heimischen Bidens-Arten betrifft, so habe ich selbst bislang keine Beobachtungen zum Blütenbesuch durch Bienen. In ihrem Buch »Die Bienenweide« geben Schick & Spürgin (1997) für die Art Bidens tripartita (Dreiteiliger Zweizahn) für die Honigbiene eine mittlere Wertigkeit für Nektar und Pollen an. Knuth (1898: 598f) führt für B. tripartita zwei Besuche von Wildbienen in Belgien an, nennt aber nur die Gattungsnamen Bombus (Hummeln) und Andrena (Sandbienen). An B. cernua wurden nach seinen Angaben nur die Honigbiene und mit Bombus terrestris eine Erdhummel beobachtet. Während bei der bekanntermaßen hinsichtlich der Nahrungsquellen außerordentlich anpassungsfähigen Honigbiene an Bidens sowohl Nektarerwerb als auch Pollensammeln festgestellt wurde, ist vor allem letzteres bei Wildbienen nicht bekannt und offensichtlich auch nicht untersucht. Bei dem für Wildbienen nicht sonderlich attraktiven Standort von B. tripartita ist dies ist nicht weiter verwunderlich. Auch beginnt die Blüte ihrer kleinen Köpfchen erst im Juli und dauert bis Oktober. Bei B. ferulifolia, um die es hier geht, erwarte ich auch eine rege Nutzung durch Honigbienen; im Falle der Wildbienen bedarf eine konkrete Aussage aber erst einer genauen Prüfung, weil die bisherigen Angaben der Gärtner (»zieht Bienen und Hummeln an«) viel zu pauschal und ungenau sind und nichts über den tatsächlichen Wert aussagen.
Ich habe daher in Gärtnereien mehrere Exemplare von B. ferulifolia in unterschiedlichen Blütenfarben gekauft und in meinem Garten in Kübel gepflanzt. Im Verlauf mehrerer Tage mit sehr bienenfreundlichem Wetter konnte ich außer einer Honigbiene lediglich drei kurze Besuche durch Wildbienen feststellen. Dabei handelte es sich um jeweils ein Männchen von Xylocopa violacea (Blauschwarze Holzbiene), Osmia bicornis (Rostrote Mauerbiene) und Osmia brevicornis (Schöterich-Mauerbiene) (siehe folgende Fotos).
Ein Männchen der Rostroten Mauerbiene (Osmia bicornis) trinkt Nektar im Blütenkörbchen von Bidens ferulifolia.
Ein Männchen der Schöterich-Mauerbiene (Osmia brevicornis) trinkt Nektar im Blütenkörbchen von Bidens ferulifolia.
Wenige Meter neben den Bidens-Exemplaren blühen in Kübeln zur Zeit sechs Exemplare von Raps (Brassica napus), einer in Mitteleuropa schon seit Jahrhunderten angebauten Nutzpflanze, die ich wegen ihrer Attraktivität insbesondere für auf Kreuzblütler spezialisierte Bienenarten alljährlich kultiviere. Während ich an mehreren Tagen und bei regelmäßigen Kontrollen an Bidens auch bei sehr bienenfreundlichem Wetter außer den wenigen oben genannten Besuchen keine weiteren beobachten konnte, waren am Raps ständig mehrere Individuen folgender sechs Bienenarten anzutreffen:
Vor allem die Männchen von Osmia brevicornis patrouillierten die Rapsblüten pausenlos, was aufgrund der Pollenspezialisierung dieser Art auf Kreuzblütler zu erwarten war. Gleiches gilt für die ebenfalls oligolektische, an großblütige Kreuzblütler gebundene Andrena lagopus. Andrena haemorrhoa ist polylektisch. Der Unterschied in der Attraktivität von Raps und Bidens ist bereits nach wenigen Beobachtungstagen sehr deutlich. Vermutlich hat Bidens außer gelegentlichen Nektarbesuchen im Vergleich zu heimischen Pflanzen kaum eine Bedeutung für Wildbienen. Hummeln nutzen Bidens wohl vor allem für den Nektarerwerb. Gespannt bin ich auf folgende Szenarien: Demnächst werden Andrena humilis und Andrena fulvago erscheinen, die beide auf Korbblütler, allerdings der Unterfamilie Cichorioideae, als Pollenquellen spezialisiert sind. Werden sie auf Bidens sammeln? Ab Juni fliegt die Löcherbienenart Heriades truncorum. Sie nutzt vielerlei Korbblütler als Pollenquellen, möglicherweise auch Bidens ferulifolia. Denn letztlich kommt es bei Wildbienen darauf an, ob sie bestimmte Pflanzen als Pollenquellen nutzen. Oft dienen diese gleichzeitig als Nektarquellen. Ansonsten sind Nektarquellen vielfach austauschbar, weshalb diese Art der Nutzung von Blüten nicht herangezogen werden kann, um ihre Bedeutung für Wildbienen seriös zu beurteilen.
Um später möglichst fundierte Aussagen machen zu können, die die gesamte Blühzeit berücksichtigen, wäre es hilfreich, mir zuverlässige Beobachtungen von Blütenbesuchen von Wildbienen an »Goldmarie«, »Goldkosmos«, »Bienenstern« oder wie die Sorten von Bidens ferulifolia auch immer heißen mögen, mitzuteilen, wenn möglich mit Foto. Wichtig ist, die Beobachtung möglichst genau zu beschreiben, ob z. B. Nektar getrunken oder eindeutig Pollen gesammelt wurde. Bei den Beobachtungen kann man auch lernen, die Honigbiene, die häufig als Besucher auftreten dürfte, von anderen Bienenarten zu unterscheiden. Auch Männchen und Weibchen der Wildbienen sollten unterschieden und getrennt betrachtet werden, weil sie sich hinsichtlich der Nutzung von Blüten anders verhalten als ihre Weibchen. Zum Ende des Sommers werde ich dann alle Beobachtungen auswerten und das Endergebnis hier veröffentlichen. Sollte die Zahl der mir zugesandten Mitteilungen hoch sein, werde ich aus Zeitgründen wohl nicht auf jede antworten können und bitte hierfür schon jetzt um Verständnis.
Eines dürfte jetzt schon klar sein: Es gibt weitaus bessere und nicht weniger attraktive Möglichkeiten, Wildbienen auf Balkonen (oder Terrassen) mit der Kultur bestimmter Pflanzen zu fördern.
* Zur Problematik der Nomenklatur, ob der Gattungsname Bidens feminin oder maskulin ist, siehe den Eintrag bei Wikipedia . Im Gartenbau und in der Florenliste von Deutschland wird das feminine Artepitheton ferulifolia verwendet.
Hand, R., Thieme, M. et al. (2020): Florenliste von Deutschland (Gefäßpflanzen) Version 11. – https://kp-buttler.de/florenliste/ – Abgerufen am 1. Mai 2021.
Knuth, P. (1898): Handbuch der Blütenbiologie. II. Band, 1. Teil. 697 S.; Leipzig.
Parolly, G. & Rohwer, H. (Hrgs.) (2019):: Schmeil-Fitschen. Die Flora Deutschlands und angrenzender Länder. 97 Auflage, 980 S., Wiebelsheim (Quelle & Meyer).
Schick, B. & Spürgin, A. (1997): Die Bienenweide. 4. Auflage, 216 S. Stuttgart (E. Ulmer).
Was bei einer Untersuchung zur Eignung von (Zier-)Pflanzen als Nahrungs- bzw. Futterquellen von Wildbienen methodisch zu berücksichtigen ist, ist auf dieser Seite dargestellt.
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