Eine Ruderalfläche am Rande der Stadt Tübingen mit blühender Wilder Möhre (Daucus carota), Gewöhnlichem Bitterkraut (Picris hieracioides) und Wilder Karde (Dipsacus fullonum). Eine gelegentliche Herbstmahd mit Abräumen des Mähguts zumindest auf Teilflächen fördert einerseits den Blütenreichtum und die Besiedlung durch weitere Arten, führt aber längerfristig auch zur Entwicklung eines wiesenartigen Grünlands.
Für manche sehen sie vielleicht nicht besonders schön aus, aber:
Vorübergehend sich selbst überlassene Flächen, sogenannte Ruderalstellen oder Schuttstellen, mit Pionierpflanzen wie Wilder Möhre, Gewöhnlichem Bitterkraut, Gewöhnlichem Natterkopf, Wilder Resede und anderen Pflanzen haben als Nahrungsräume von Wildbienen eine sehr hohe Bedeutung. Viel zu häufig werden hier »Pflegemaßnahmen« durchgeführt, d. h. gemäht oder gemulcht, wodurch ein wichtiger Nahrungsraum und teilweise auch Nistplatz beseitigt oder stark beeinträchtigt wird.
Auch ohne gezieltes Einsäen wachsen nach dem Umgraben verschiedene Pionierpflanzen auf einem »Ackerwildkräuterbeet«. Erfolgreicher ist aber die gezielte Einsaat von Samen bestimmter Ackerwildkräuter. Dies gelingt allerdings nur, wenn wir die spezifischen Keimtemperaturen und -zeiten berücksichtigen und im Herbst bzw. Frühjahr für offenen Boden sorgen, den alle Pionierpflanzen für Keimung und Entwicklung benötigen. Kornblume (Centaurea cyanus) und Klatsch-Mohn (Papaver rhoeas) z. B. keimen schon im Herbst, der Ackersenf (Sinapis arvensis) erst im zeitigen Frühling. Die zweijährigen Arten Gewöhnlicher Natterkopf (Echium vulgare), Nickende Distel (Carduus nutans), Gewöhnliche Kratzdistel (Cirsium vulgare) und Färber-Resede (Reseda luteola) keimen schon im Frühsommer und bilden bis Herbst kräftige Rosetten.
Das Weibchen der Gelbbindigen Furchenbiene (Halictus scabiosae) hat seine Transporteinrichtungen mit dem Pollen der Nickenden Distel (Carduus nutans) schon gut befüllt.
Hier wurde einfach eine Ladung Kies mit ausreichend Feinerde abgekippt und eine Zeitlang sich selbst überlassen, bis sich verschiedene Pionierpflanzen eingestellt hatten.
Disteln wie hier die zweijährige Nickende Distel (Carduus nutans) können nicht nur attraktiv aussehen, sie sind auch wichtige Futterpflanzen für Wildbienen und andere Blütenbesucher.
Einige Pionierpflanzen kann man auch auf einem Schutthaufen aus unterschiedlichen Materialien im (Natur-)Garten ansiedeln. Beim Hausbau kann man auch einfach ein Stück Rohbodengelände zunächst ganz der Natur überlassen. Lehmiger Boden wird mit Kies oder Sand stark angereichert, um seine Wasserdurchlässigkeit zu erhöhen und dadurch die Standortverhältnisse zu verbessern. Unerwünschte Pflanzen stellen sich dann weniger häufig ein. Sobald die Pflanzen ihre Samen verstreuten, bearbeiten wir den Boden, so daß sie sich selbst vermehren können. Wer viel Platz hat und die Kosten nicht scheut, kann auch eine LKW-Ladung ungewaschenen (!) Kies oder Kalkschotter oder Split (auf unterschiedliche Körnung achten!) kaufen und im Garten an einer gut besonnten Stelle abkippen lassen. Basaltschotter ist meist gewaschen und sollte daher mit Feinerde angereichert werden. Die Kies- oder Schotterfläche kann man mit vorgezogenen Pionieren trockenwarmer Standorte gezielt bepflanzen oder man sät Pionierpflanzen aus. Sie der Selbstbegrünung zu überlassen kann bedeuten, es dauert lange, bis sich die gewünschten Pflanzen einstellen. Sind sie einmal besiedelt, sind dann pflegerische Eingriffe (durch Ausreißen) notwendig, wenn sie drohen, vollends zuzuwachsen.
Wer den zweijährigen Gewöhnlichen Natterkopf oder Blauen Heinrich (Echium vulgare) kultiviert, wird erstaunlich viele Wildbienen damit anlocken.
Eine Arbeiterin der Steinhummel (Bombus lapidarius) beim Besuch des Gewöhnlichen Natterkopfs (Echium vulgare).
Gleiches gilt für die Wilde Resede (Reseda lutea), die außer Wildbienen auch sehr für andere Stechimmen und für Goldwespen sehr attraktiv ist.
Ein schon etwas abgeflogenes Weibchen der Sandbienenart Andrena haemorrhoa bei der Pollenernte an der Wilden Resede (Reseda lutea).
Auch die früher zum Färben verwendete, zweijährige Färber-Resede (Reseda luteola) kann leicht im Garten kultiviert werden und lockt viele Hautflügler an.
Die Sandbienenart Andrena nigroaenea beim Besuch der Färber-Resede (Reseda luteola).
Auch wenn die Nachbarn vielleicht protestieren: Bestimmte Disteln wie die Gewöhnliche Kratzdistel (Cirsium vulgare) und die Nickende Distel (Carduus nutans) sind als zweijährige Pflanzen weit weniger problematisch als vielfach angenommen. Meist enthalten die Büschel von Flughaaren, die nach dem Abblühen vom Wind verweht werden, überhaupt keine Samen mehr. Der möglicherweise dadurch ausgelöste Konflikt mit den Nachbarn ist deshalb sachlich völlig unbegründet.
Das Gewöhnliche Bitterkraut (Picris hieracioides) ist eine der wichtigsten Pollenquellen des Sommers für viele Wildbienenarten. Welchen Grund sollte es geben, dieses prächtige, wochenland blühende Exemplar zu beseitigen? Leider werden solche im Siedlungsraum spontan auftretenden Pflanzen vielfach aus fragwürdiger »Ordnungsliebe« nicht geduldet.
Die Wilde Möhre (Daucus carota) ist nicht nur Pollenquelle von Doldenblütler-Spezialisten unter den Wildbienen; auch der Schwalbenschwanz legt hier gerne ein Ei ab.
Auch der zu den Korbblütlern zählende lange blühende Grüne Pippau (Crepis capillaris) ist eine bei vielen Wildbienen beliebte Pollenquelle. Hier wurde er erfreulicherweise am Mauerfuß geduldet und konnte sogar fruchten und aussamen. Mehrere Arten von Schmalbienen (Lasioglossum) und die Gewöhnliche Löcherbiene (Heriades truncorum) konnte ich an diesen Pflanzen beim Pollensammeln antreffen. An anderen Orten wird dieser Pippau von Zottelbienen (Panurgus) sehr gerne genutzt.
Unbebaute Flächen in Gewerbegebieten (deren Realisierung v. a. in einigen wärmebegünstigen Naturräumen bereits zum Verlust wertvoller Wildbienen-Lebensräume geführt hat) können spontan entstandene Ruderalstellen aufweisen, wie hier im Bild. Sie können aber auch gezielt angelegt werden und liefern auch dann für viele Bienenarten die geeignete Nahrung, manchen Arten dienen sie auch als Nistplatz. Der hier blühende Rainfarn (Tanacetum vulgare) wurde zum Zeitpunkt der Aufnahme von den oligolektischen Seidenbienenarten Colletes daviesanus, Colletes fodiens (kleines Bild) und Colletes similis, der Maskenbienenart Hylaeus nigritus und einigen Furchenbienen, darunter Halictus leucaheneus, Halictus submediterraneus und Halictus subauratus besucht.