Der Kaukasische oder Blaue Beinwell (Symphytum caucasicum M. Bieb) gehört zur Familie der Rauhblattgewächse (Boretschgewächse) (Boraginaceae). Die ausdauernde Halbrosettenpflanze stammt aus dem Kaukasus und wird in Mitteleuropa schon seit 1816 als Zierpflanze kultiviert (Hegi 1975). Sie ist demnach ein Neophyt. Neben der Gartenkultur haben Gartenabfälle an manchen Stellen auch zur Besiedlung von Straßen-, Gebüsch- oder Waldrändern geführt. So ist die Art in Sachsen »tendenziell eingebürgert« (Hand, Thieme et al. 2020) und in Bayern aus Pflanzungen verwildert und unbeständig (bayernflora.de). Sie gehört aber nicht zu den invasiven Neophyten. Gelegentlich wird sie auch als Viehfutter, zur Herstellung von Kräuterjauche und für Heilanwendungen genutzt. Die Wuchsorte sind meist sonnig bis halbschattig, nicht zu trocken und nährstoffreich.
Ein Bestand des Kaukasischen Beinwells in einem Garten.
Wird er nicht daran gehindert, kann sich der Kaukasische Beinwell durch unterirdische Ausläufer stark ausbreiten.
Die Pflanzen werden 60–80 cm hoch. Die röhrenförmigen, leuchtend blauen Blüten blühen von Mai bis August. Es sind Streukegel-Blumen mit Nektar (Teppner 2022), bei denen der Pollen beim Blütenbesuch auf den Vibrationen erzeugenden Besucher herabrieselt.
Blütenstände von Symphythum caucasicum.
Schon in meinem früheren Garten hatte ich den Kaukasischen Beinwell kultiviert und schon damals beobachtet, daß er einigen Bienenarten als Nektar- und Pollenquelle dient. Ich habe meine alten Notizen hervorgeholt und auch meine Filmaufnahmen genutzt, um die textlichen Angaben mit einem Video zu belegen.
Folgende Bienenarten habe ich im Mai an den Blüten beobachtet:
Die oben genannten fünf Hummelarten nutzten den Beinweil ausgiebig. Für die Königinnen, die intensiv Pollen sammelten, ist er eine ergiebige Futterquelle zur Verproviantierung ihrer wächsernen Larvenkammern. Auch Pelzbienen konnte ich meist zeitgleich in mehreren Individuen an den Blüten antreffen. Die Männchen patrouillierten entlang der Blütenstände, tranken hin und wieder Nektar und waren dabei nur schwer zu fotografieren oder zu filmen, weil sie auf ihrem raschen Flug oft zwischen weit voneinander entfernten Blütenständen wechselten. Die Pollen sammelnden Weibchen tendierten eher dazu, mehrere Blüten ein und desselben Blütenstandes zu besuchen, sofern die Blüten noch Futter bieten, was offensichtlich von den Weibchen rasch registriert wird. Ist kein Pollen vorhanden, fliegt die Pelzbiene schnell weiter. Bei den Weibchen konnte ich sowohl hell- als auch schwarzbehaarte Individuen feststellen. Auch Holzbienen konnte ich beim Blütenbesuch antreffen. Offensichtlich tranken die Weibchen Nektar, denn sie hängten sich wie die Hummeln und Pelzbienen an die Blüten und steckten ihren Rüssel in die Kronröhre. Gelegentlich tauchten an den Blüten auch Männchen von Langhornbienen auf, die sich mit Nektar verköstigten.
Um den Erwerb von Pollen nachzuweisen, habe ich der Schienenbürste einer Pelzbiene die weiße Pollenladung entnommen und lichtmikroskopisch analysiert. Die Pollenladung bestand zu 100% aus Symphytum-Pollen.
Ausschnitt aus dem Präparat der Pollenladung von Anthophora plumipes mit charakteristischem Symphytum-Pollen.
Bei dem verwandten Echten Beinwell (Symphytum officinale) und beim Knoten-Beinwell (S. tuberosum) ist der Nektar wegen der langen Kronröhre nur langrüsseligen Bienenarten zugänglich (Teppner 2011). Kurzrüsselige Hummeln beißen seitlich in die Krönröhre ein Loch, um an den Nektar zu gelangen. Obwohl ich mit Bombus terrestris s. l. eine kurzrüsselige Hummelart beim Blütenbesuch an Symphytum caucasicum beobachtete (siehe Video), konnte ich keine Bißlöcher wie bei den anderen Beinwellarten entdecken. Die Kronröhre ist kürzer als bei den zwei anderen Beinwellarten und womöglich ist der Nektar auch für Erdhummeln und Holzbienen erreichbar. Bei den anderen, mittel- bis langrüsseligen Hummelarten ist anzunehmen, daß sie neben der Pollenernte an Symphytum caucasicum auch Nektar getrunken haben. Kein Augenmerk gelegt habe ich auf den Umstand, daß Hummeln offfensichtlich an den von ihnen besuchten Blüten Duftmarken hinterlassen, durch die Artgenossen oder andere Hummelarten vom Blütenbesuch abgehalten werden (Goulson et al. 1998, Stout et al. 1998).
Die oben genannten Hummelarten nutzen auch den Gewöhnlichen Beinwell (Symphytum officinale) als Nektar- und Pollenquelle (siehe auch Teppner 2011), ebenso wie Anthophora plumipes (Westrich 2019). Ob die daran beobachtete oligolektische Andrena symphyti auch Symphytum caucasicum nutzt, ist mir nicht bekannt.
Das folgende Video (3 min 46 sec, 160 MB) zeigt den Blütenbesuch mehrerer Hummelköniginnen, außerdem von Pelzbienen und einer Holzbiene. [Ich empfehle den Vollbild-Modus. Achtung: Mit Musik, daher Ton zuerst einschalten!]
Die folgenden Zeilen sollen nicht als Empfehlung verstanden werden, Neophyten allgemein dann zu fördern, wenn sie von Wildbienen genutzt werden. Vielmehr geht es mir um sachliche Information. Wenn ein Neophyt nachweislich nicht invasiv ist, halte ich es durchaus für legitim, seine Bedeutung als Nahrungsquelle von Wildbienen zu dokumentieren und zu beurteilen und auf seine Verwendung in Privatgärten (und nur dort!) einzugehen. Im Falle von invasiven Neophyten warne ich jedoch davor, sie zu anzupflanzen oder zu fördern, wie dieses Beispiel zeigt.
Will man den Kaukasischen Beinwell im eigenen Garten kultivieren, sollte man dafür Sorge tragen, daß er sich nicht zu sehr ausbreiten kann, damit man die Freude an dieser hübschen Pflanze nicht verliert. Die Ausläufer wachsen nämlich auch unter Gehwegplatten und erobern so benachbarte Stellen. Deshalb sollte man der Ausbreitung des Beinwells durch den Einsatz einer Wurzelsperre Einhalt gebieten. Notfalls kann man diese auch nachträglich einbauen. Die Wurzelsperre sollte einige Zentimeter aus dem Boden herausschauen, damit sich die Rhizome nicht oberirdisch ausbreiten können. Wurzelsperren bestehen meist aus Polyethylen (HDPE9 oder Polypropylen (PP).
Goulson, D. (2010): Bumblebees. Behaviour, ecology and conservation. – 2. Aufl., 317 S.; Oxford (Oxford University Press).
Goulson, D., Hawson, S.A. & Stout, J.C. (1998): Foraging bumblebees avoid flowers already visited by conspecifics or by other bumblee species.– Anim. Hahav. 55: 199–206.
Hand, R., Thieme, M. et al. (2020): Florenliste von Deutschland (Gefäßpflanzen) Version 11. – https://kp-buttler.de/florenliste/ – Abgerufen am 13. Mai 2021.
Hegi, G. (1975): Illustrierte Flora von Mitteleuropa. Band V. 3. 2. Auflage 1966, unveränderter Textnachdruck der 1. Auflage von 1926, 1975 übernommen vom Verlag Paul Parey.
Knuth, P. (1898): Handbuch der Blütenbiologie. II. Band, 1. Teil. 697 S.; Leipzig.
Parolly, G. & Rohwer, H. (Hrgs.) (2019):: Schmeil-Fitschen. Die Flora Deutschlands und angrenzender Länder. 97 Auflage, 980 S., Wiebelsheim (Quelle & Meyer).
Stout, J.C., Goulson, D. & Allen, J.A. (1998): Repellent scent marking of flowers by a guild of foraging bumblebees (Bombus spp.) to previously visited flowers. – Behav. Ecol. Sociobiol. 52: 239– 246.
Teppner, H. (2011): Flowers of Boraginaceae (Symphytum, Onosma, Cerinthe) and Andrena symphyti (Hymenoptera-Andrenidae): Morphology, Pollen Portioning, Vibratory Pollen Collection, Nectar Robbing. – Phyton 50: 145–328.
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