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Schaffung von Nistmöglichkeiten -4-
Förderung der Steilwandbesiedler

Ufersteilwand_Tagliamento

Ufersteilwand am Tagliamento (Norditalien)


Die Steilwandbesiedler lebten ursprünglich in den Auen der Wildflüsse. Dort nisteten sie in Uferabbrüchen wie wir sie heute noch z. B. am Tagliamento in Norditalien, dem letzten Wildfluß Mitteleuropas (oben) finden. Typische Beispiele sind die Vierbindige Furchenbiene (Halictus quadricinctus), die Blauschillernde Sandbiene (Andrena agilissima) und die Schmalbienenart Lasioglossum quadrinotatulum. Als Ersatzlebensräume werden in der Kulturlandschaft auch Hohlwege mit sonnenbeschienenen Steilwänden, Weinberge mit Lößwänden oder aufgelassene Sand- und Lehmgruben besiedelt. Für solchermaßen spezialisierte Arten haben diese Nistgelegenheiten in den letzten Jahrzehnten enorm abgenommen. Sie zu erhalten oder gegebenenfalls neu zu schaffen ist die weitaus beste und wirksamste Maßnahme zum Schutz dieser Arten.

Lösswand

Lößwand im Kraichgau.


Einige Arten wie die Frühlings-Pelzbiene (Anthophora plumipes), die Vierfleck-Pelzbiene (Anthophora quadrimaculata), die Buckel-Seidenbiene (Colletes daviesanus), die Schmalbienenarat Lasioglossum nitidulum und die Lamellen-Maskenbiene (Hylaeus hyalinatus) sind vor langer Zeit in die Siedlungen eingewandert, um hier ihre Nester in Gemäuern, die vor vielen Jahrzehnten mit Kalkmörtel verfugt wurden, zu bauen. Aber auch diese Nistplätze haben durch moderne Bauweisen und die Verwendung von Zementmörtel rapide abgenommen. Im Siedlungsraum einen wirklich gleichwertigen Ersatz zu schaffen ist kaum möglich. Das soll uns aber nicht entmutigen, denn es gibt durchaus Möglichkeiten, auch im Garten in einem etwas kleineren Rahmen Steilwandbesiedler sehr gezielt zu fördern.


Steilwand im Garten

Künstliche Lößwand ím Garten des Autors (seit über 30 Jahren alljährlich besiedelt).

Vorgehensweise: Das Prinzip besteht darin, einen ausreichend großen Hohlraum vollständig mit Löß (!) möglichst in seiner natürlichen Sedimentstruktur zu füllen. Die Hohlräume können durchaus unterschiedlich sein. Empfehlenswert ist ein Zementfaser-Blumenkasten von etwa 60 cm Länge, 15 cm Breite und mindestens 15 cm Tiefe oder ein rechteckiger Blumentrog von ca. 80 x 30 x 27 cm (z. B. Lippert Pflanzkübel Kubus Blumentrog rechteckig anthrazit der Firma Geli, Material: Polyethylen, erhältlich beim Versandhändler Amazon). Ersatzweise tun es auch Hohlsteine zum Bau von Trockenmauern oder ein entsprechend großer, stabiler Kasten aus massivem Holz.

Am besten ist es, ganze Stücke dieses Lockergesteins mit seiner natürlichen Sedimentstruktur in der für den Hohlraum passenden Größe mit einem Spaten abzustechen und einzusetzen. In die Zwischenräume wird feuchtes Löß-Material gedrückt. Man sollte bevorzugt deshalb anstehenden Löß wählen, weil die Sedimentstruktur viel leichter durch Regen gelöst und weggespült wird, wenn sie einmal zerstört ist. Es versteht sich von selbst, daß sich die Entnahme von Löß nur dort empfiehlt, wo er natürlicherweise im Überfluß vorhanden ist und wo kein wertvoller Lebensraum beeinträchtigt wird (z. B. von einer Baustelle). In das Sediment wird mit einem Bohrer pro Kasten (d. h. je 1/10 m2) ein kurzer Gang von 5–8 mm Durchmesser geschaffen. Diese Gänge sind nicht für Hohlraumbesiedler gedacht, auch wenn sie von ihnen gelegentlich genutzt werden (z. B. Gehörnte Mauerbiene oder Luzerne-Blattschneiderbiene). Die dunklen Löcher üben eine magische Anziehungskraft auf grabende Wildbienenarten, z. B. Pelzbienen, aus. Diese sollen nämlich angelockt werden, hineinkriechen und am Ende mit dem Graben ihres eigenen Nestganges beginnen. Fünf solcher Kästen übereinandergestapelt ergeben mit ihren lößgefüllten Seiten als Front eine Mini-Steilwand, die an einer südexponierten Stelle der Hauswand oder der Gartenmauer aufgestellt wird (das obere Bild zeigt meine eigene Steilwand). Zum Schutz gegen Regen wird sie von oben zusätzlich mit einem Brett oder einer durchsichtigen Acrylglasplatte abgedeckt. Wenn der Platz oder das Material nicht reichen, ist schon ein einzelnes solches Steilwandelement sinnvoll. Selbst größere Brocken aus Löß oder sandigem Lehm werden von den entsprechenden Bienenarten gefunden und besiedelt (siehe Abbildung).

Wenn kein Löß zur Verfügung steht, kann man ersatzweise auch sandigen Lehm nehmen und schichtweise die für die kleine Steilwand vorgesehene Hohlform damit befüllen. Pelzbienen (z. B. Anthophora plumipes) nehmen solch eine Nistmöglichkeit durchaus an. Allerdings ist die Zahl der Bienenarten, die solche »Steilwände« besiedeln, deutlich geringer als bei der Verwendung von Löß und ein Substrat mit der richtigen Zusammensetzung zu finden, kann schwierig sein. Lehm selbst mit Sand durch Mischung abzumagern führt meistens nicht zum gewünschten Ergebnis, wie ich vielfach festgestellt habe. Manchmal ist es daher ratsam, auf solch ein Nistangebot ganz zu verzichten, weil es ja genügend andere Möglichkeiten einer Förderung von Wildbienen gibt.

Lößbrocken

Dieser Brocken aus Löß, den ich im Frühsommer 2019 aus dem Kaiserstuhl mitgebracht und an einer regengeschützten Stelle am Haus abgelegt hatte, wurde bald danach von 10 Weibchen der Buckel-Seidenbiene (Colletes daviesanus) besiedelt. 2020 erhöhte sich die Zahl der Weibchen auf 22! Dies zeigt, wie wichtig die Verfügbarkeit artspezifischer Nistplätze ist.

Künstliche Lößwand

Eine im Rahmen eines Artenschutzprojektes als Nistplatz für die Pelzbienenart Anthophora quadrimaculata und deren Kuckucksbiene Thyreus orbatus von einem Planungsbüro erstellte Nistwand, deren Zementfaserkästen mit natürlich anstehendem Löß gefüllt sind. Da entgegen meiner Empfehlungen beschattende Gehölze nicht entfernt wurden, blieb diese eigentlich attraktive Wand leider unbesiedelt.

Ton oder fetter Lehm, Materialien, die auf manchen Websites und in manchen Schriften für den Bau einer künstlichen Steilwand empfohlen werden und wie ich sie schon mehrfach unbesiedelt gesehen habe, sind auf keinen Fall geeignet, da sie zum Graben von Nestgängen nach dem Trocknen viel zu hart sind. Wenn Löcher in solch toniges Material hineingedrückt werden, wie ich es bei Löß oder sandigem Lehm in geringer Zahl als Substrate zur Erhöhung der Attraktivität empfehle, können diese nur von Hohlraumbewohnern wie Mauerbienen (Osmia bicornis, Osmia cornuta) genutzt werden. Damit wäre aber der eigentliche Sinn und Zweck solcher Steilwände verfehlt, die Ansiedlung grabender Arten nämlich.

Ein geeignetes Substrat hingegen läßt sich mit dem Fingernagel leicht abschaben (testen!). Weidenruten-Lehmwände, die ebenfalls viel zu hart werden, sind demnach zur Ansiedlung oder Förderung grabender Bienenarten (und anderer Stechimmen dieser Gilde) wertlos.


Lasioglossum nitidulum

Eine in meinen »Steilwänden« regelmäßig nistende Art ist die grün-metallisch schimmernde Schmalbienenart Lasioglossum nitidulum, die auch gerne Mörtelfugen in Mauern besiedelt

Anthophora quadripunctata Männchen

Auch die Vierfleck-Pelzbiene (Anthophora quadrimaculata) nistet seit vielen Jahren in meiner künstlichen Lößwand auf der Südseite des Hauses. Das Bild zeigt ein Männchen mit seinen charakteristisch grünen Komplexaugen.

Colletes daviesanus

Seit vielen Jahren nistet auch die Buckel-Seidenbiene (Colletes daviesanus), hier ein Männchen, in meiner kleinen Lößwand.

Anthophora plumipes

Ein Weibchen der Frühlings-Pelzbiene (Anthophora plumipes) vor dem Nest.


video Das folgende kurze Video (15 MB) zeigt ein Weibchen der Buckel-Seidenbiene (Colletes daviesanus), das mit viel gesammeltem Pollen vor seinem Nest landet, das es in meiner Lößwand angelegt hat.

Charakteristische Besiedler

Außerhalb des Siedlungsbereichs gibt es eine ganze Reihe weiterer, teils sehr seltener Arten, die an Steilwände als Nistplatz gebunden sind. In den Gärten sind am ehesten die nachfolgend genannten Arten anzutreffen.

  • Anthophora plumipes (Frühlings-Pelzbiene) [ Steckbrief ]
  • Anthophora quadrimaculata (Vierfleck-Pelzbiene)
  • Colletes daviesanus (Buckel-Seidenbiene) [Steckbrief]
  • Colletes similis (Rainfarn-Seidenbiene) (recht selten)
  • Lasioglossum nitidulum (Schmalbienen-Art) [ Steckbrief ]
  • Melecta albifrons (Frühlings-Trauerbiene) - Kuckucksbiene bei A. plumipes [ Steckbrief ]
  • Thyreus orbatus (Kleine Fleckenbiene) - sehr seltene Kuckucksbiene bei A. quadrimaculata [ Steckbrief ]

Unter den solitären Faltenwespen nimmt Odynerus spinipes das Steilwandangebot gerne an.

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