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Wildbienen am Haus, im Garten und in der Schule fördern, beobachten und bestimmen

Als ersten Komplex der verschiedenen Aspekte des Schutzes und der Förderung von Wildbienen finden Sie auf den folgenden Seiten detaillierte Informationen darüber, wie man Wildbienen am Haus, im Garten und in der Schule fördern und durch regelmäßige Beobachtungen viel Neues entdecken kann.

Die einzelnen Methoden wurden von mir alle in in den vergangenen 48 Jahren praktisch erprobt. Sie beruhen auf Erfahrungen, die ich erstmals 1985 in der Broschüre »Wildbienen-Schutz in Dorf und Stadt« nach 8 Jahren des Einsatzes und reicher Erfahrung mit Nisthilfen veröffentlicht habe. Seither setze ich Nisthilfen ein und erforsche ihre Besiedler. Regelmäßig teste ich auch käufliche Objekte auf ihre Eignung. So manches, was auf anderen Internetseiten zu diesem Thema zu finden ist, wurde, sofern es tauglich ist, aus meinen Veröffentlichungen übernommen. Bedauerlicherweise gibt es darüber hinaus aber zu viele untaugliche bis sinnlose Empfehlungen und Objekte, auf die ich auf den folgenden Seiten näher eingehe.

Mit den hier beschriebenen Nisthilfen können vom Frühjahr bis zum Herbst viele verschiedene Beobachtungen angestellt werden. Dies gilt für alle Altersstufen. Kindern bietet sich hier eine besonders gute Möglichkeit nicht nur zu Hause, sondern auch in der Schule faszinierende Phänomene aus allernächster Nähe zu beobachten. Gerade die Beschäftigung mit Wildbienen hilft, wie viele Projekttage an Schulen und in Waldkindergärten zumindest hoffen lassen, Kinder und Jugendliche für komplexe Beziehungszusammenhänge zu sensibilisieren und ein Bewußtsein eigener Verantwortlichkeit durch das persönliche Betroffensein zu entwickeln. Voraussetzung hierfür ist natürlich, daß auch die für diese pädagogische Arbeit Verantwortlichen sich selbst ausreichendes Wissen aneignen und sich nach Empfehlungen richten, die nach wissenschaftlichen Kriterien erarbeitet wurden und sich nicht an fragwürdigen Internetangeboten orientieren, die mit Schlagworten wie »Bienen retten« eher eine clevere Geschäftsidee sind, als seriöse Informationen zu liefern.

Allerdings dürfen wir eines nicht vergessen: Die besten Nisthilfen und ein noch so blütenreicher Garten ersparen bzw. ersetzen nicht Schutz- und Fördermaßnahmen außerhalb der Gärten im urbanen Raum und in der freien Landschaft.

Warum? Viele Arten der Wildbienen können aufgrund ganz spezieller ökologischer Ansprüche nicht im unmittelbaren Wohnumfeld des Menschen existieren. Arten mit einer Bindung an ganz bestimmte Lebensräume können nur erhalten werden, wenn Trockenrasen, Magerwiesen, Dünen, Sandheiden, Felsfluren und Schilfröhrichte geschützt und sachgerecht gepflegt sowie Pioniergesellschaften geduldet werden.

Die überwiegende Zahl der Bienenarten sind Insekten der offenen Landschaft und nicht des Waldes. Neben natürlichen Gebieten wie Mooren und Blockhalden sowie stillgelegten Truppenübungsplätzen und Bergbaufolgelandschaften wird die Offenlandschaft vorwiegend durch landwirtschaftlich intensiv genutzte Flächen wie Äcker und Grünland geprägt. Offengehalten werden die Landschaften in erster Linie dadurch, daß sie vom Menschen zur Erzeugung von Nahrungsmitteln genutzt werden, wodurch eine ansonsten sich einstellende natürliche Sukzession zum Wald verhindert wird. Leider hat die Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung in den letzten fünf Jahrzehnten derart zugenommen, daß heute auf diesen früher artenreichen Flächen neben anderen tierischen und pflanzlichen Besiedlern auch Wildbienen keine ausreichenden Lebensbedingungen mehr vorfinden und daher sehr deutlich abgenommen haben oder bereits weitgehend ganz fehlen. Es ist aber nicht nur die Art der Nutzung der bewirtschafteten Flächen, sondern ganz besonders der Verlust unzähliger Kleinstrukturen durch Maßnahmen der Flurbereinigung (oder Flurneuordnung) zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen.

Schon meine früheren Untersuchungen und Auswertungen (Westrich 1989) ebenso wie eine 2020 für das Bundesamt für Naturschutz erfolgte Gefährdungsursachenanalyse haben ergeben, daß die intensive Landwirtschaft, oft befördert durch die bereits erwähnten Flurbereinigungsmaßnahmen, mit ihrem immensen Einsatz von Bioziden (v. a. chemische Pflanzen- und Insektenvernichtungsmittel) der Hauptverursacher des Artenrückgangs von Wildbienen ist. Wenn sich daran nichts ändert, werden weitere Bienenarten auf die Rote Liste der gefährdeten und vom Aussterben bedrohten Arten gesetzt werden müssen und die bereits darin enthaltenen werden weitere Bestandsrückgänge bis zum völligen Erlöschen erfahren. Übrig bleiben solche Arten, die aufgrund ihrer hohen Anpassungsfähigkeit mit den Eingriffen des Menschen in die Natur und seinem Umgang zurechtkommen, oder in manchen Fällen dadurch sogar gefördert werden.

Ganz unabhängig von den dringend notwendigen Erfordernissen des Artenschutzes in der Offenlandschaft können wir in unseren eigenen Lebensbereichen eine ganze Reihe von Wildbienenarten gezielt fördern, indem wir ihre Nistmöglichkeiten verbessern. Dies läuft letztlich auf die Nachahmung natürlicher Nistplätze hinaus, umfaßt aber weitaus mehr als die vielfach wenig tauglichen, oft sogar völlig unbrauchbaren sogenannten »Insektenhotels« (siehe Folgeseiten). Viel wichtiger und für die Förderung hochspezialisierter Arten wirksamer ist es jedoch, das Nahrungsangebot durch eine pflanzliche Vielfalt zu bereichern.

In diesem Kapitel sind verschiedenste Möglichkeiten dargestellt. Prüfen Sie, ob eine der Möglichkeiten auch von Ihnen umgesetzt werden kann.

Mit allen Maßnahmen der Förderung von Wildbienen verbessern wir gleichzeitig auch die Lebensbedingungen vieler anderer Insekten. Von unseren Nisthilfen und dem besseren Nahrungsangebot profitieren z. B. auch verschiedenste Arten der

  • Grabwespen (Spheciformes)
  • Wegwespen (Pompilidae)
  • Faltenwespen (Vespidae)
  • Schlupfwespen (Ichneumonidae)
  • Schmalbauchwespen (Gasteruptionidae)
  • Erzwespen (Torymidae, Eurotymidae, Leucospididae, Eulophidae)
  • Goldwespen (Chrysididae) > zur Fotogalerie
  • Keulenwespen (Sapygidae)
  • Käfer (u. a. Meloidae, Cleridae) und
  • Fliegen (u. a. Bombyliidae, Conopidae, Drosophilidae)

Anmerkungen:
Viele der auf den folgenden Seiten gemachten Empfehlungen finden sich bereits in meinem Grundlagenwerk zum Artenschutzprogramm des Landes Baden-Württemberg »Die Wildbienen Baden-Württembergs« (Westrich 1989, 1990). Sie sind in veränderter Form auch enthalten in den Broschüren »Wildbienen-Schutz in Dorf und Stadt« (von 1983 bis 1989 in drei Auflagen erschienen) und »Wildbienen am Haus und im Garten« (zwei Auflagen von 1997 bis 1999), die von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg herausgegeben wurden und die die Erstellung der Broschüren finanziell gefördert hat. Diese sind leider vergriffen und können auch über mich nicht mehr bezogen werden. Lediglich die zweite Broschüre wurde von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg als PDF zum Download (13,7 MB)  ins Internet gestellt, allerdings in schlechter Qualität.

Detaillierter und reicher bebildert sind die Themen »Nisthilfen - Wohnraum für Wildbienen« und »Der Garten als Nahrungsraum für Wildbienen« in meinem zweiten Buch behandelt, von dem aufgrund des großen Erfolgs 5 Auflagen erschienen sind, dessen Vertrieb aber ab Oktober 2021 eingestellt wurde. Einzelne Buchhändler oder Antiquariate haben dieses Buch eventuell in ihrem Lagerbestand und können es noch liefern. Eine überarbeitete und stark erweiterte Neuauflage ist beim Verlag Eugen Ulmer in Arbeit.

Die folgende Bilderserie zeigt keine Wildbienen, sondern beispielhaft einige Arten der vorstehend aufgeführten Gruppen, die an Nisthilfen mehr oder weniger regelmäßig zu beobachten sind. Dabei handelt es sich sowohl um nestbauende Arten als auch um deren Gegenspieler, z. B. Futterschmarotzer.

  • An Nisthilfen zu beobachten
 
 
  • ancistrocerus_antilope_2008_4_5686
    Ancistrocerus antilope - Faltenwespen (Vespidae)
    Mehrere Arten solitärer Faltenwespen sind als Besiedler von Bohrungen von Nisthilfen bekannt. Hierzu gehören vor allem Vertreter der Gattungen Ancistrocerus, Euodynerus, Microdynerus und Symmorphus. Als Nahrung für ihre Brut tragen sie gelähmte Larven von Kleinschmetterlingen oder Rüsselkäfern ein. Die hier abgebildete Art nistet vorwiegend in Gängen mit einem Durchmesser von 6 mm. Sie besiedelt sowohl Bambusröhrchen als auch Bohrungen in trockenem Holz. Die Beutetiere sind Kleinschmetterlingsraupen. Ein Weibchen ist gerade dabei, den Pollen aus einem bereits von der Rostroten Mauerbiene, Osmia bicornis, zuvor genutzten Nest auszuräumen, um selbst darin zu nisten.
  • wegwespe_005
    Wegwespen (Pompilidae)
    Wegwespen jagen Spinnen als Nahrung für ihre Brut. Nur wenige Arten besiedeln auch Nisthilfen. Hierzu gehören Dipogon hircanum, Dipogon nitidum und Auplopus carbonarius. Viele Arten sind anhand von Fotos nicht zu bestimmen
  • passaloecus_eremita_01
    Passaloecus eremita – Grabwespen, Spheciformes ( Pemphredonidae)
    Die recht unscheinbare, schwarz-glänzende Grabwespenart Passaloecus eremita zeigt eine starke Bindung an Kiefern, wo man die Nester leicht in den Verpuppungsräumen einer Blattwespe in der Kiefernrinde findet. Sie nutzt aber auch die Fraßgänge von Anobien (»Holzwürmern«) in totem Holz und nimmt Bohrungen mit einem Durchmesser von 3-4 mm in Nisthilfen gern an (vor allem in der Nähe von Waldrändern). Die Nester sind leicht von denen anderer Passaloecus-Arten zu unterscheiden durch die Verwendung von Kiefernharz für den Bau der Zwischenwände und den Nestverschluß. Der frische Nestverschluß ist weißlich und wird nach dem Aushärten matt und gelb. Schon vor Beginn der Verproviantierung des Nestes wird der Nesteingang ringsum mit Harztröpfchen versehen.
  • sapyga_clavicornis_09_1980
    Sapyga clavicornis – Keulenwespen (Sapygidae) (Männchen oben, Weibchen unten)
    Diese Familie ist in Mitteleuropa nur mit vier Arten verteten. Drei lassen sich regelmäßig auch an Nisthilfen beobachten. Am häufigsten ist die im Foto gezeigte Sapyga clavicornis, die bei Chelostoma florisomne als Futterparasit schmarotzt. Die ganz schwarze Sapygina decemguttata lebt bei Heriades truncorum und Heriades crenulata. Sapyga quinquepunctata ist deutlich seltener. In Nisthilfen ist meist Osmia caerulescens der Wirt. Die seltenste Art ist Sapyga similis, die vor allem an Waldrändern und im Gebirge vorkommt und u.a. bei Osmia parietina und Osmia inermis schmarotzt.
  • gasteruption_jaculator_08_11378
    Gasteruption jaculator (Weibchen) – Schmalbauchwespen (Gasteruptionidae)
    Wegen ihrer keulenartig verdickten Hinterschienen werden sie (wenig glücklich) auch Gichtwespen genannt. Der Legebohrer des Weibchens kann je nach Art sehr kurz oder mehr als körperlang sein. Alle Arten der Gattung Gasteruption sind Futterparasiten von Wildbienen. In Mitteleuropa sind die Wirte der ca. 18 Gasteruption-Arten meist Maskenbienen (Hylaeus), aber auch Seidenbienen (Colletes), Löcherbienen (Heriades), Mauerbienen (Osmia), Keulhornbienen (Ceratina) und Spiralhornbienen (Systropha). [Die abgebildete Art hat vor der Occipitalleiste am Hinterrand des Kopfes im Gegensatz zu Gasteruption pedemontanum und Gasteruption tournieri keine grubenartigen Vertiefungen.]
  • ephialtes_manifestator_P13714_0204
    Ephialtes manifestator – Schlupfwespen (Ichneumonidae)
    Diese Schlupfwespe ist ein Parasitoid (Raubparasit) vorwiegend bestimmter Chelostoma-Arten, insbesondere von Chelostoma florisomne und Chelostoma rapunculi, deren Brutzellen sie an meinen Nisthilfen alljährlich nach der Brutzeit der Wirte mit Eiern belegt. Auf dem Foto ist zu erkennen, wie der Legebohrer in den Nestgang geführt wird, in dessen Innern sich Zellen von Chelostoma florisomne befinden. Die sehr ähnlichen Arten der Gattung Ephialtes sind auf einem Foto ohne Belegexemplar nicht sicher zuordnen. Ephialtes manifestator ist die häufigste Art der Gattung in Mitteleuropa.
  • leucospis_dorsigera_14A_3402
    Leucospis dorsigera – Faltenerzwespen (Leucospididae)
    Diese Hautflügler-Familie enthält nur wenige, verhältnismäßig große, auffällig schwarzgelb gefärbte Arten, die sich durch stark verdickte, bezahnte Hinterschenkel und im weiblichen Geschlecht durch einen über den Rücken des Abdomens nach vorn gebogenen Legebohrer auszeichnen. Leucospis dorsigera ist in Mitteleuropa weit verbreitet, wird aber meist nur einzeln beobachtet. Regelmäßig habe ich sie an meinen Nisthilfen festgestellt, wo sie vor allem bei verschiedenen Osmia-Arten schmarotzt.
  • chrysura_austriaca_2008_10369
    Chrysura austriaca – Goldwespen (Chrysidiae)
    Die prachtvoll rot, blau, grün oder golden metallisch glänzenden Tiere gehören zweifellos zu den schönsten Hautflüglern. Einige Arten sind regelmäßig an Nisthilfen anzutreffen, wenn hier auch ihre Wirte nisten. Zu diesen gehören Grab- und Faltenwespen, aber auch Wildbienen. Die im Foto gezeigte Chrysura austriaca schmarotzt u.a. bei Osmia adunca.
  • Anthrax anthrax – Wollschweber (Bombyliidae)
    Als Adulte sind Wollschweber typische Blütenbesucher, die sich mit Hilfe ihres langen Saugrüssels von Blütennektar ernähren. Ihre Larven leben, soweit bekannt, als Raubparasiten (Parasitoide) vor allem an Larven verschiedener Wildbienen, die sie aussaugen, aber auch an Wespen- oder Käferlarven und anderen Insekten. An Nisthilfen tritt meistens der Trauerschweber (Anthrax anthrax) auf. Vor dem Nesteingang steht das Weibchen im Schwebflug und bewegt sein Abdomen blitzschnell nach unten und nach vorne in Richtung Eingang. Vermutlich wird hierbei das Ei abgelegt. Nach dem Schlüpfen kriecht die Fliegenlarve in eine Brutzelle des Wirtes. Dort wartet sie, bis die Wirtslarve den Futtervorrat verzehrt hat und macht sich dann über sie her.
  • Trichodes alvearius – Buntkäfer (Cleridae)
    Trichodes alvearius und Trichodes apiarius, zwei metallisch blau und rot gefleckte Cleriden von 10–16 mm Körpergröße entwickeln sich in Nestern solitärer Wildbienen, vor allem oberirdisch nistender Blattschneider- und Mauerbienen, wo sie die eingetragenen Nahrungsvorräte oder die Brut fressen. Sie heißen daher auch Immenkäfer oder Bienenwölfe (Namensgleichheit mit bestimmten Grabwespen) und können zum Typ des Räubers gerechnet werden. Ihre Larven können lange Hungerperioden überstehen.
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