Im April 2020 wurde der 2019 erstmals in Deutschland erfolgte Nachweis von Lithurgus cornutus publiziert (Reder 2020). Schon im vergangenen Jahr, als ich nach einem Hinweis von Gerd Reder am 3. September 2019 ein abgeflogenes Weibchen beobachten und fotografieren konnte, hatte ich mir vorgenommen, im folgenden Jahr den Fundort in Südhessen erneut zu besuchen, um mehr über die Art und ihr Verhalten zu erfahren. Obwohl die Flugzeit der Art schon im Juli beginnt, war mir ein Besuch erst am 5. August 2020 möglich. Gegen 10 Uhr entdeckte ich das erste Weibchen, das an einer Ruderalstelle an den Köpfchen der Weg-Distel (Carduus acanthoides) Pollen sammelte. Eine halbe Stunde später sah ich gleichzeitig zwei Weibchen beim Blütenbesuch. Mehr als zwei Weibchen konnte ich allerdings nicht feststellen. Die Population scheint demnach nur aus wenigen Individuen zu bestehen. Nur eine individuelle Markierung könnte über die tatsächliche Bestandsgröße Auskunft geben.
Die Weg-Distel (Carduus acanthoides) ist die Hauptpollenquelle von Lithurgus cornutus.
Im Laufe des Vormittags stellten sich außerdem Weibchen von Lithurgus chrysurus ein, die ausschließlich an der Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea) Pollen sammelten, die an der besagten Stelle reich blühte. Auch mindestens zwei Männchen dieser Art waren an der Wiesen-Flockenblume zu beobachten.
Die Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea) wurde sowohl von Lithurgus cornutus als auch von Lithurgus chrysurus als Pollenquelle genutzt.
Die folgenden Bilder zeigen Lithurgus cornutus bei der Pollenernte an Carduus acanthoides und an Centaurea jacea; auf den beiden letzten Bildern ist Lithurgus chrysurus beim Pollensammeln an Centaurea jacea zu sehen. Die Pollenaufnahme erfolgt bei beiden Arten, indem das Weibchen rasch über das Köpfchen läuft, dabei von den Staubbeuteln den Pollen entnimmt und in die Bauchbürste befördert und gleichzeitig mit dem Rüssel den am Grunde der Blütchen angebotenen Nektar trinkt. Der Aufenthalt auf dem Köpfchen beträgt meist nur 5–10 Sekunden. Die Aufnahmen zeigen wie das Video, daß Brutzellen versorgt werden und bestätigen somit die Bodenständigkeit beider Arten an der untersuchten Lokalität.
Die Beobachtungen bei Lampertheim bestätigen die bisherigen Befunde über das Pollensammeln der beiden Arten, die oligolektisch und innerhalb der Asteraceae auf Cynareae (Disteln, Flockenblumen) spezialisiert sind. Lithurgus cornutus wurde in Österreich von Pachinger (2004) ebenfalls an Carduus acanthoides und nur an diesem Korbblütler festgestellt, während andere im Untersuchungsgebiet blühende Asteraceae nicht besucht wurden. Ich konnte ein Weibchen auch an Centaurea jacea Pollen sammelnd feststellen, allerdings nur während eines Sammelflugs, bei dem Carduus acanthoides deutlich bevorzugt wurde. Pachinger beobachtete die Art nicht vor 10 Uhr, was meiner (einmaligen) Beobachtung gleichkommt.
Carduus acanthoides wird auch von anderen Bienenarten als Nektar- und Pollenquelle genutzt. Vor dem Auftreten von Lithurgus cornutus verköstigten sich zahlreiche Hummeln, insbesondere Männchen, mit Nektar. Speziell bei der Pollenernte angetroffen wurden vor allem mehrere Weibchen von Halictus scabiosae, vereinzelt auch Honigbienen. Während der Flugzeit von Lithurgus cornutus sind diese beiden Arten daher Nahrungskonkurrenten.
Die Hauptpollenquelle von Lithurgus chrysurus ist in weiten Teilen des Verbreitungsgebiets die Rispen-Flockenblume (Centaurea stoebe) (Westrich 2019: 577), doch werden auch verwandte Centaurea-Arten wie Centaurea jacea genutzt, wenn sie im Lebensraum blühen. An dem hier untersuchten Ort kam Centaurea stoebe nicht vor, Lithurgus chrysurus ist hier also ganz auf einen ausreichend großen Bestand von Centaurea jacea angewiesen.
Beide Lithurgus-Arten nisten in Totholz in selbstgenagten Hohlräumen (vgl. Pachinger 2004, Westrich 2019: 148). Geeignete Elemente sind an der hier behandelten Lokalität vorhanden, doch habe ich nicht nach Nestern gesucht, weil ich mein Hauptaugenmerk auf den Blütenbesuch gelegt habe.
Das folgende Video (46 sec, 73 MB) zeigt die beiden Steinbienenarten Lithurgus cornutus und Lithurgus chrysurus bei der Pollenernte an Carduus acanthoides bzw. Centaurea jacea. – Das Video kann auch im Vollbildmodus abgespielt werden. Ohne Ton!
Nach derzeitiger Kenntnis handelt es sich bei dem an dieser Lokalität beobachteten Vorkommen um das einzige von Lithurgus cornutus in Deutschland. Aufgrund der geringen Bestandsgröße und der Abhängigkeit von bestimmten Pollenquellen und Nistplätzen ist das bodenständige Vorkommen dann bedroht, wenn eine der beiden Requisiten aus welchen Gründen auch immer nicht mehr zur Verfügung steht. Gezielte Artenschutzmaßnahmen zur Förderung des Vorkommens wären daher sehr zu begrüßen. Möglicherweise gibt es weitere, trotz der vergleichsweise hohen Erfassungsintensität bislang unentdeckte Vorkommen in der Oberrheinebene.
Von Lithurgus chrysurus wurden seit 1994, dem Jahr des Erstnachweises bei Ingelheim (Schmid-Egger, Risch & Niehuis 1995) einige weitere Vorkommen in Süddeutschland bekannt (Frommer 2003, Reder 2012, 2020, Scheuchl 2014). Der Fundort bei Lampertheim, neben Griedel und Darmstadt nun der dritte in Hessen, ist bei Reder (2020) nicht aufgeführt. Jüngst hat Heidi Ripp über ein individuenreiches Vorkommen auf der Griesheimer Düne bei Darmstadt berichtet und mit Bildern und Videos illustriert. Die Bestandssituation dieser Art stellt sich somit heute deutlich besser dar, als zum Zeitpunkt der Bearbeitung der Roten Liste der Bienen Deutschlands (Westrich et al. 2012), in der die Art nach damaliger Kenntnis und Bewertung in der Kategorie 1 (Vom Aussterben bedroht) eingestuft wurde.
Frommer, U. (2003): Die mediterrane Steinbiene Lithurgus chrysurus Fonscolombe, 1834, (Hymenoptera: Apidae) ist bodenständig in Rheinland-Pfalz. – Fauna und Flora in
Rheinland-Pfalz 10 (1): 289–292.
Pachinger, B. (2004): Über das Vorkommen der Steinbienen Lithurgus Latr.
(Hymenoptera: Apoidea, Megachilidae)
in Österreich – Ökologie, Verbreitung und Gefährdung. – Linzer biol. Beitr. 36/1: 559–566.
Reder, G. (2012): Die Steinbiene Lithurgus chrysurus Fonsc.
nun auch bei Worms nachgewiesen
(Hymenoptera: Apoidea: Megachilidae). – Fauna Flora Rheinland-Pfalz 12 (2) 601–609.
Reder, G. (2020): Erstnachweis von Lithurgus cornutus (Fabricius 1787) in Deutschland und zur Verbreitung von
Lithurgus chrysurus Fonscolombe 1843 (Hymenoptera: Megachilidae). – Ampulex 11: 30–33.
Scheuchl, W. (2012):
Lithurgus chrysurus (Fonscolombe,
1834) neu für Bayern und weitere faunistische Besonderheiten (Insecta, Hymenoptera: Apidae). –Beiträge zur bayerischen Entomofaunistik 14: 93–101.
Schmid-Egger, C., Risch, S. & Niehuis, O. (1995): Die Wildbienen und Wespen in
Rheinland-Pfalz (Hymenoptera: Aculeata). Verbreitung, Ökologie und Gefährdungssituation. – Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz, Beih. 16: 1–296.
Westrich, P. (2019): Die Wildbienen Deutschlands. – 2., aktualisierte Auflage, 824 S., 1700 Farbfotos. Stuttgart (E. Ulmer).
Westrich, P., Frommer, U., Mandery, K., Riemann, H., Ruhnke, H. Saure, C. & Voith, J. (2012) Rote Liste und Gesamtartenliste der Bienen (Hymenoptera, Apidae) Deutschlands. 5. Fassung, Stand Februar 2011. Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (3), 2012 (2011), S. 373–416. Bundesamt für Naturschutz.
Ein Männchen der Steinhummel (Bombus lapidarius) trinkt Nektar an der Weg-Distel (Carduus acanthoides).
Auch die Männchen der Ackerhummel (Bombus pascuorum) nutzten die Distelköpfchen als Nektarquelle.
Die Furchenbienenart Halictus scabiosae nutzt Korbblütler besonders gerne als Pollenquelle. An der untersuchten Lokalität sammelten mehrere Weibchen Pollen an Carduus acanthoides.
Auch Honigbienen wurden mehrfach bei der Pollenernte an Carduus acanthoides beobachtet.
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