Eine Wacholderheide im Großen Lautertal auf der Schwäbischen Alb, Lebensraum der Fingerkraut-Sandbiene (Andrena potentillae). Das gelb blühende Frühlings-Fingerkraut (Potentilla verna) ist über den gesamten Steilhang verbreitet (5. April 2020).
Das trockenwarme Frühlingswetter der letzten Tage hat mich ermuntert, auf der Schwäbischen Alb nach Andrena potentillae (Fingerkraut-Sandbiene) Ausschau zu halten. Ein Freund hatte mir einen von ihm entdeckten Nistplatz mitgeteilt, den ich selbst in Augenschein nehmen wollte, um mehr über diese Art und ihren Lebensraum herauszufinden. In Deutschland gilt die Art als sehr selten und stark gefährdet (Westrich et al. 2012). Bereits 1981 ist mir die Art in Rheinland-Pfalz zum ersten Mal begegnet und zwar am Rotenfels bei Bad Münster am Stein (Schmidt & Westrich 1985). Aus Baden-Württemberg sind seit 1999 nur 7 Fundorte bekannt (www.wildbienen-kataster.de). Über weitere, bislang nicht dokumentierte Vorkommen möchte ich hier berichten.
Die folgende Bildergalerie zeigt Gebiete in Baden-Württemberg, die von Andrena potentillae derzeit besiedelt sind. Im Großen Lautertal konnte ich 2020 auf den Gemarkungen der Ortschaften Marbach, Dapfen und Bichishausen (maximale Entfernung 8 km) vier räumlich getrennte Vorkommen mit zwei bis mehr als zwanzig Individuen nachweisen. [Durch Klick auf das Quadrat oben rechts lassen sich Großansichten ein- und ausschalten.]
Andrena potentillae ist eine oligolektische, auf Rosengewächse (Rosaceae) spezialisierte Art. Hauptpollenquellen in Deutschland sind das Frühlings-Fingerkraut (Potentilla verna) und das Rötliche Fingerkraut (Potentilla heptaphylla). Als weitere Pollenquelle ist auch die Erdbeere (Fragaria spec.) durch Beobachtungen und Pollenanalysen belegt (Westrich 2019) (siehe Foto unten). Beim Blütenbesuch, insbesondere beim Sammeln des gelben Pollens, sind die Weibchen sehr agil und scheu. Man braucht deshalb Ausdauer, Geduld und Glück, um sie fotografieren oder filmen zu können. Bei der geringsten Störung fliegen sie weiter und man ist gezwungen, erneut auf die Knie zu gehen und einen erneuten Versuch aus der Hand zu starten, da ein Stativ nicht verwendet werden kann. Neben Andrena potentillae konnte ich auch Halictus rubicundus, Lasioglossum fulvicorne, Andrena flavipes und Osmia bicolor beim Blütenbesuch beobachten. – Andrena potentillae ist nur 5–7 mm groß. In der zweiten Hälfte ihrer Flugzeit kann sie mit Andrena labiata verwechselt werden, da sich beide Geschlechter im äußeren Erscheinungsbild sehr ähneln (siehe Abbildungen). A. labiata ist aber etwas größer und außerdem polylektisch.
Über die Ansprüche an den Nistplatz von Andrena potentillae ist bisher nichts bekannt. Deshalb war ich umso erfreuter, die Möglichkeit zu erhalten, darüber etwas zu erfahren. Der Nistplatz lag im oberen Bereich eines Steilhangs in einem von Potentilla verna, Pulsatilla vulgaris und Helianthemum nummularium (noch nicht blühend) charakterisierten, im Sommer von Schafen beweideten Magerrasen. Die dicht nebeneinander liegenden Nester verteilten sich auf einer Fläche, die nicht größer als ein DIN-A4-Blatt und damit ca. 30 cm x 21 cm war. Im Verlauf von zwei Stunden habe ich hier mindestens 20 heimkommende oder abfliegende Weibchen gezählt. Männchen waren nicht mehr anzutreffen. Die Nesteingänge waren ursprünglich nicht zu sehen, da sie durch Blattrosetten oder Grashalme verdeckt waren. Wenn die Weibchen von einem Sammelflug zurückkamen, flogen sie meistens zunächst über dem Nistplatz, landeten dann, um in der Vegetation krabbelnd den Nesteingang zu suchen. Manche Weibchen schienen dabei Schwierigkeiten zu haben, flogen ab und landeten erneut. Vereinzelt führten die Weibchen nach dem Verlassen des Nestes einen Orientierungsflug über den Nistplatz aus. Um Nesteingänge sichtbar zu machen, habe ich bei drei Nestern die Deckvegetation entfernt, was die Weibchen nur beim ersten Nachhausekommen irritierte. Sie fanden aber rasch ihr Nest und hatten beim nächsten Anflug keine Orientierungsprobleme mehr. Die Nesteingänge bleiben während des Sammelflugs offen. Bemerkenswert ist, daß die Art hier in einem Substrat nistet, das als Mullrendzina bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um einen humusreichen Subtyp der Rendzina, das ist ein flachgründiger, sich auf Kalkstein bildender Boden. Dieser ist für erdnistende Wildbienenarten nicht sonderlich attraktiv, was bereits frühere Erhebungen gezeigt haben, nach denen kaum mehr als 60 Arten der Schwäbischen Alb dieses Substrat zum Nisten akzeptieren (Westrich 2019).
Von zwei Weibchen habe ich gemessen, wie lange sie für einen Sammelflug unterwegs sind: 20 Minuten bzw. 21 Minuten. Der Aufenthalt im Nest zum Abladen des Pollens (und möglicherweise für weitere Arbeiten in der Brutzelle bzw. für die Eiablage) betrug 14 Minuten bzw. 15 1/2 Minuten.
Das folgende Video (2 1/2 min, 168 MB) beginnt mit einem Blick auf eine Wacholderheide (Blick nach Nordwesten, Blick nach Südosten) als Lebensraum von Andrena potentillae, anschließend den durch eine Ellipse gekennzeichneten Nistplatz. Weitere Aufnahmen zeigen vom Sammelflug heimkehrende sowie nach der Versorgung der Brutzellen abfliegende Weibchen und zu guter Letzt ein Weibchen bei der Pollenernte auf dem Frühlings-Fingerkraut. Die Aufnahmen wurden am 8. und 9. April 2020 in der Zeit von 13 Uhr bis 15 Uhr gemacht. – Das Video kann auch im Vollbildmodus abgespielt werden. Ohne Ton!
Da Andrena potentillae auf frühblühende Potentilla-Bestände angewiesen ist, auch wenn die Weibchen gelegentlich Fragaria als (Neben-)Pollenquelle nutzen, sind die Populationen dann gefährdet, wenn die Wuchsorte dieser Rosengewächse nach Aufgabe der Weidenutzung brachfallen und sich anschließend als Folge der natürlichen Sukzession wiederbewalden. Die konkurrenzschwachen Pollenquellen gehen stark zurück und ihre Bestände erlöschen schließlich ganz. Auf der Schwäbischen Alb sind die besten Fingerkraut-Bestände dort zu finden, wo die Schafbeweidung in Form der traditionellen Hütehaltung (keine Koppelhaltung!) noch für eine ausreichende Kurzrasigkeit sorgt. Im Kaiserstuhl ist eine regelmäßige Mahd der Magerwiesen, stellenweise auch eine zeitlich begrenzte Beweidung mit Ziegen die Voraussetzung für eine langfristige Erhaltung. Wegen der engen Bindung an immer seltener werdende, kurzrasige Magerrasen mit ausreichend großen Fingerkraut-Beständen sollte die Art auch weiterhin in der Roten Liste enthalten sein. Kleine Bestände, die man immer wieder auf Straßenböschungen der Schwäbischen Alb und in den Oberen Gäuen findet, scheinen als Nahrungs- und Nistraum nicht auszureichen. Vielfache Kontrollen solcher Bestände haben jedenfalls nicht zu einem Nachweis von Andrena potentillae geführt.
Schmidt, K. & Westrich, P. (1985): Die Stechimmenfauna des Rotenfels bei Bad Münster am Stein (Hymenoptera Aculeata außer Bethyloidea und Formicoidea). - Mitt. Pollichia, 70 (1982): 325-348.
Westrich, P. (2019): Die Wildbienen Deutschlands.– 2., aktualisierte Auflage, 824 S., 1700 Farbfotos. Stuttgart (E. Ulmer).
Westrich, P., Frommer, U., Mandery, K., Riemann, H., Ruhnke, H., Saure, C. & Voith, J. (2008): Rote Liste der Bienen Deutschlands (Hymenoptera, Apidae) (4. Fassung, Dezember 2007). – Eucera 1 (3): 33-87.
Andrena potentillae Männchen
Andrena potentillae ist nur 5–7 mm groß. In der zweiten Hälfte ihrer Flugzeit kann sie mit Andrena labiata verwechselt werden, da sich beide Geschlechter äußerlich sehr ähneln. Andrena labiata ist aber etwas größer und außerdem polylektisch.
Andrena labiata Männchen
Andrena labiata Weibchen
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