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Die Asiatische Mörtelbiene* (früher: Riesen-Harzbiene) (Megachile sculpturalis) nun auch nördlich der Alpen!

Die Besiedlung Europas setzt sich fort

Am 23. August 2015 beobachtete Andreas Knapp aus Dettingen/Erms auf einem privaten Grundstück in Langenargen an Nisthilfen für solitäre Wildbienen eine Bienenart, die ihm wegen der Größe auffiel, die er aber nicht kannte. Er machte Fotos von einem Weibchen am Nest, recherchierte im Internet und fand dort schließlich die seit 2012 von Christa Gihr und mir veröffentlichten Ergebnissse der Beobachtungen und Untersuchungen über Megachile sculpturalis. In der Annahme, es handele sich bei der von ihm beobachteten Art ebenfalls um Megachile sculpturalis, schickte er mir eines seiner Fotos und bat mich um Bestätigung. Ich setzte mich unverzüglich mit ihm in Verbindung, um ihm mitzuteilen, welch bemerkenswerte Beobachtung er gemacht hatte und um weitere Details über den Fund zu erfahren. Wir vereinbarten eine Zusammenarbeit und eine gemeinsame Veröffentlichung des Fundes.

Megachile sculpturalis

Weibchen von Megachile sculpturalis am Nistblock in Langenargen (Foto: A. Knapp, 23. August 2015).

Megachile sculpturalis

Weibchen von Megachile sculpturalis am Nistblock in Langenargen (Foto: A. Knapp, 23. August 2015).

Die von A. Knapp gemachten Fotos zeigen zweifelsfrei ein schon etwas abgeflogendes Weibchen von Megachile sculpturalis. Bei dem Fundort handelt es sich um die baden-württembergische Stadt Langenargen, die am nördlichen Ufer des Bodensees zwischen Friedrichshafen und Lindau liegt (47.36N, 9.33E, 399 m ü. NHN).

Bisher war die Art in Europa nur aus Südfrankreich, wo sie erstmals im Jahr 2008 beobachtet wurde und sich seither stark ausgebreitet hat (Vereecken & Barbier 2009, Gihr & Westrich 2013), aus dem Schweizer Tessin (Amiet 2012) und aus Norditalien (Quaranta et al. 2014) bekannt.

Dieser Fund ist der erste Nachweis von Megachile sculpturalis nördlich der Alpen und gleichzeitig der erste Brutnachweis dieser Art in Deutschland.

Da der Betreuer der Nisthilfen meinte, mindestens zwei Weibchen beobachtet zu haben und man aufgrund der zahlreichen Nestverschlüsse auf mehr als ein Weibchen schließen kann, dürfte bereits im Vorjahr (2014) ein Weibchen an oder in unmittelbarer Nähe der Lokalität genistet haben. Wenn diese Annahme stimmt, waren es deren Nachkommen, die 2015 die gefundenen Nester gebaut haben.

Es stellt sich die Frage, wie Megachile sculpturalis ausgerechnet nach Langenargen kommt. Zwei Möglichkeiten kommen dafür in Betracht:
1. Die Art wurde aus dem Raum südlich der Alpen (Südfrankreich, Südschweiz, Norditalien) in den Bodenseeraum durch Handelsgut (z. B. Nester in Holz) eingeschleppt. Quaranta et al. (2014) halten im Falle einer Population in Norditalien eine Einschleppung für wahrscheinlicher als eine Einwanderung aus Frankreich. Immerhin liegt zwischen den bisher bekannten Vorkommen und dem Bodensee ein hohes Gebirge.
2. Die Art wurde nicht eingeschleppt, sondern ist zugewandert. Wenn dies zutreffen würde, sollte man vermuten, daß es zwischen den bislang bekannten Fundorten südlich der Alpen und dem Bodensee weitere bereits besiedelte Lokalitäten gibt, die aber noch nicht entdeckt wurden. In Südfrankreich zeigt die Art mindestens seit 2008 eine vergleichsweise hohe Ausbreitungsgeschwindigkeit, ähnlich der in Nordamerika, wo sie 1994 erstmals gesichtet wurde (Hinojosa-Diaz 2008).
Vielleicht wird die Zukunft zeigen, welche der Annahmen am ehesten zutrifft.

Megachile_sculpturalis_Funde Nachweise (orange-farbene Punkte) von Megachile sculpturalis in Europa von 2008 bis 2015 (nach Daten aus Publikationen, durch Fotos belegte Fundmeldungen im Internet, briefl. Mitteilungen und eigenen Beobachtungen) (Stand: 31.10.2015).
[Distribution map of Megachile sculpturalis based on European records from 2008 to 2015]

Nestverschlüsse wie in der Provence

Am 21. September 2015 hatte ich die Möglichkeit, den Fundort in Langenargen selbst in Augenschein zu nehmen. Ich zählte in den für solitäre Bienen angebrachten Nisthilfen insgesamt 14 Verschlüsse von Nestern, die in Bohrgängen von 8 mm und 10 mm Durchmesser in einem Fichten- und einem Lärchenblock angelegt waren. Die Holzblöcke waren maximal 80 mm tief. 9 Nestverschlüsse waren ausschließlich aus einem sehr dunklen Harz gefertigt. Bei drei Nestverschlüssen bestand die äußerste Schicht nur aus einem hellen lehmigem Sand und bei zweien war diese mineralische Schicht unvollständig (siehe Fotos). Sie entsprechen den in Südfrankreich gefundenen Nestverschlüssen.

megachile_sculpturalis_verschluss_

Nestverschluß von Megachile sculpturalis aus Harz.

Megachile sculpturalis_Nestverschluss

Nestverschluß von Megachile sculpturalis mit der äußersten Schicht aus lehmigem Sand.

Megachile sculpturalis_Nestverschluss

Nestverschluß von Megachile sculpturalis, bei dem auf das Harz noch eine unvollständige Schicht aus lehmigem Sand aufgebracht wurde.

Eine bereits bekannte Pollenquelle

Da ich in einem Block aus Lärchenholz einen einzelnen Nestverschluß fand, hatte ich die Idee zu versuchen, den verschlossenen Bohrgang mit geeignetem Werkzeug zu öffnen, um nach möglicherweise noch vorhandenen Pollenresten zu suchen. Diese könnten nämlich verraten, was die Pollenquelle des Weibchens war, welches das Nest verproviantiert hatte. Tatsächlich gelang es mir, die einzige in dem Gang befindliche Brutzelle zu öffnen. Sie enthielt zwar keine Ruhelarve, die ich eigentlich erwartet hatte, aber als Futter eingetragenen Pollen, der für eine Analyse mehr als ausreichte. Der Pollen war mit dem bislang in den südfranzösischen Brutzellen gefundenen Pollen identisch, er mußte demnach ebenfalls von dem Japanischen Schnurbaum (Styphnolobium japonicum, Synonym: Sophora japonica) stammen. Pollen anderer Pflanzen fand ich nicht. Wie in der Provence scheint demnach diese Baumart mit ihren unzähligen Blüten eine hohe Attraktivität als Pollenquelle zu haben. Bislang ist der Standort des Schnurbaums in Langenargen allerdings nicht bekannt. Es bleibt auch offen, ob in die anderen Nester ebenfalls Schnurbaum-Pollen eingetragen worden war. Im kommenden Jahr sind deshalb weitere Untersuchungen zur Nutzung des Schnurbaums und gegebenenfalls anderer Pollenquellen geplant.

Megachile sculpturalis Larvenproviant

Ausschnitt aus einem Pollenpräparat des Larvenproviants in einer in Langenargen im Jahr 2015 verproviantierten Brutzelle von Megachile sculpturalis mit Pollen von Styphnolobium japonicum. (Mit einer Kompaktkamera gemachtes Foto des mikroskopischen Bildes bei 100facher Vergrößerung.)

Literatur

Amiet, F. (2012): Die Blattschneiderbiene Megachile sculpturalis Smith, 1853 (Hymenoptera, Apidae) nun auch in der Schweiz. Entomo Helvetica 5: 156159.
Gihr, C. & Westrich, P. (2013): Ein Brutnachweis der adventiven Riesen-Harzbiene (Megachile sculpturalis Smith 1853) in Südfrankreich (Hymenoptera, Apidae). Eucera 7: 19.
Hinojosa-Diaz, I. A. (2008): The giant resin bee making its way west: first record in Kansas (Hymenoptera: Megachilidae). ZooKeys, 1: 6771.
Quaranta, M., Sommaruga, A., Balzarini, P. & Felicioli, A. (2014): A new species for the bee fauna of Italy: Megachile sculpturalis continues its colonization of Europe. Bulletin of Insectology 67 (2): 287293.
Vereecken, N. J. & Barbier, M. (2009): Premières données sur la présence de l’abeille asiatique Megachile (Callomegachile) sculpturalis Smith (Hymenoptera, Megachilidae) en Europe. Osmia 3: 46.

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Herrn F. Amiet (Solothurn, CH), Herrn V. Fockenberg (Kirchhellen, D), M. D. Genoud (Orange, F), Frau C. Gihr (Les Mées, F), Frau U. von Haldenwang und Herr H. von Haldenwang (Castellar, F) sowie Herrn Dr. M. Herrmann (Konstanz) sei für Mitteilungen ihrer Beobachtungen und Fundmeldungen auch an dieser Stelle herzlich gedankt.

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25. September 2015

Nachtrag am 27. September 2015

Offensichtlich wurde diese Seite bereits von überraschend vielen gelesen. Das Resultat war, daß jetzt sogar ein aufmerksamer Leser den Standort eines Schnurbaums in Langenargen ermittelt hat: In einem Garten zwischen der Straße Am Rosenstock und der Maulbertschstraße. Er ist rund 200 m von dem Niststandort entfernt, eine Strecke, die nach meinen Beobachtungen in der Provence von Megachile sculpturalis ohne Probleme zu bewältigen ist. Es wird spannend sein, im kommenden Sommer zu prüfen, ob dort die Harzbienen auf Nahrungssuche gehen.
Außerdem ergab eine Recherche noch einen weiteren Fund in Italien (Toscana), der in die Karte aufgenommen wurde.

Nachtrag am 31. Oktober 2015

Dr. Mike Herrmann (Konstanz) machte mich dankenswerterweise auf zwei Nachweise aus der Schweiz aus dem Jahr 2015 aufmerksam, die auf Online-Karten des Centre Suisse de Cartographie de la Faune (CSCF)   zu finden sind: Ein Fundort liegt beim Vierwaldstätter See, ein weiterer in Zürich. Damit liegen weitere Nachweise aus dem Raum nördlich der Alpen vor. Die weiter oben geäußerte Vermutung, es könne noch weitere Funde nördlich der Alpen geben, wird hiermit also bestätigt und der Fund in Langenargen ist nicht der einzige in diesem Raum. Die beiden Schweizer Fundorte wurden in die (aktualisierte) Karte übernommen.

Die hier präsentierten Daten sind als Publikation (in englisch) am 3. Dezember 2015 in Eucera erscheinen.

* Nachtrag am 5. Januar 2016: Zur Problematik des deutschen Artnamens

Als ich erstmals über das Auftreten von Megachile sculpturalis und einen Brutnachweis in der Provence berichtete, habe ich mich bezüglich des deutschen Artnamens zunächst an dem in den USA gebräuchlichen Namen »Giant Resin Bee« orientiert und die Art daher Riesen-Harzbiene genannt. Vielleicht hätte ich mir zu diesem Zeitpunkt mehr Gedanken über einen passenden deutschen Artnamen machen sollen. Denn später wurde ich darauf aufmerksam gemacht, daß man aus dem Namen »Riesen-Harzbiene« schließen könnte, die Art werde derselben Gattung (Anthidium) zugerechnet wie andere in Mitteleuropa vorkommende, wegen der Verwendung von Harz so genannte Harzbienen wie die Große Harzbiene (Anthidium byssinum) und die Kleine Harzbiene (Anthidium strigatum). In meinem Grundlagenwerk »Die Wildbienen Baden-Württemberg« (1990) und in meinem Buch »Wildbienen - Die anderen Bienen« nenne ich die Vertreter der Gattung Anthidium aufgrund der Verwendung bestimmter Baumaterialien für den Nestbau (Pflanzenhaare bzw. Harz) »Woll- und Harzbienen«. Die Art, um die es hier geht, gehört aber zur Gattung Megachile, deren Vertreter in den beiden Büchern die deutschen Bezeichnungen »Blattschneider- und Mörtelbienen« haben. Um nun eine Verwechslung auszuschließen, habe ich mich entschlossen, den deutschen Namen von Megachile sculpturalis entsprechend anzupassen und zwar in »Asiatische Mörtelbiene«. »Asiatisch« verweist auf die Herkunft der adventiven Art. Beim Gattungsnamen finde ich »Mörtelbiene« passender, zumal die Art zur Gattung Megachile gehört. Schließlich verwenden die Weibchen von Megachile sculpturalis das Harz im Innern wie einen Mörtel und nutzen außerdem Lehm oder Sand als Mörtel wie verwandte Arten in der Gattung Megachile. Megachile ericetorum z. B. nutzt mineralisches Baumaterial (Lehm, Sand) für den Aufbau der Brutzelle und Harz zum Auskleiden. Sie wurde in eine eigene Untergattung Pseudomegachile gestellt. Ich nenne sie wegen der Art des Brutzellenbaus schon länger Platterbsen-Mörtelbiene (wegen der häufigen Nutzung von Lathyrus latifolius als Pollenquelle). Die Mörtelbienen, wie z. B. Megachile parietina, wurden lange in einer eigenen Gattung Chalicodoma geführt, gehören heute aber (auch bei Michener 2007) zu Megachile.
Letztendlich sind deutsche Artnamen nicht verbindlich, sondern Konvention, und können daher durchaus, wenn sinnvoll, geändert werden. Vor allem bei Pflanzen existieren vielfach regional verschiedene Bezeichnungen. Im vorliegenden Fall bitte ich für die Änderung um Verständnis, zumal sie die Verständigung im internationalen Raum nicht tangiert.

7. Januar 2016

Ein vertonter, von mir kommentierter Film über die Lebensweise von Megachile sculpturalis kann hier angeschaut werden.