Schon vor vielen Jahren hatte ich im Zusammenhang mit Untersuchungen zur Oligolektie von Bienen durch das Studium von Museumsexemplaren entdeckt, daß es in Europa eine auf Asphodelus (Affodil) spezialisierte Art gibt. Es handelt sich um Andrena sardoa, die von dem französischen Entomologen Lepeletier 1841 aus Sardinien beschrieben wurde und deren Name »sardoa« sich von dieser Insel ableitet. Diese Sandbienenart ist nur im westlichen Mittelmeerraum verbreitet, kommt also in Mitteleuropa nicht vor. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen und Feldbeobachtungen sind im September 2008 unter folgendem Titel erschienen:
Andrena sardoa Lepeletier, 1841, eine streng oligolektische, auf Asphodelus (Asphodelaceae) spezialisierte Bienenart (Hymenoptera, Apidae) der westlichen Mediterraneis.
Die Publikation findet sich in den Entomologischen Nachrichten
und Berichten, Band 52, Heft 2, S. 133–137.
Download der Publikation pdf
Vor allem im weiblichen Geschlecht ist Andrena sardoa auch im Feld leicht zu erkennen: Mesonotum, Scutellum und Postscutellum tragen eine samtartige, schwarze Behaarung. Das Abdomen ist fast vollständig rot gefärbt. In diesen Merkmalen ähnelt sie der in Mitteleuropa seltenen Andrena rufizona, bei der allerdings nur das 2. und 3. Tergit rot sind. Hier klammert sich ein Weibchen an die Filamente (Staubfäden) der Blüte von Asphodelus aestivus, um von den Antheren (Staubbeuteln) den orange gefärbten Pollen zu ernten.
Im Verlauf der Pollenernte dreht sich das Weibchen immer wieder herum und taucht kopfüber zum Blütengrund, um hier Nektar zu saugen. Der Pollenspeicher in der Scopa der Hinterbeine ist bereits mit dem Affodil-Pollen gefüllt.
Pollenladungen von 17 Exemplaren von 16 Lokalitäten aus Italien, Frankreich, Spanien, Portugal und Algerien habe ich lichtmikroskopisch analysiert. Alle enthielten ausschließlich Pollen von Asphodelus (Asphodelaceae).
Damit ist bewiesen, daß es sich bei Andrena sardoa um eine streng oligolektische und auch um die bislang einzig bekannte Bienenart handelt, die auf Asphodelus als Pollenquelle spezialisiert ist.
(Definition der Oligolektie und Beispiele). Die Ergebnisse der Pollenanalysen werden durch Blütenbesuchsbeobachtungen im Freiland bestätigt, die an Asphodelus aestivus in Südportugal 1992 (von A. Madian) und 2006 (von mir) gemacht wurden. Insgesamt wurden 19 Bienenarten an dieser Pflanze als Blütenbesucher registriert, aber nur 10 Arten nutzten sie auch als Pollenquelle. Hierzu gehören Xylocopa cantabrita und Xylocopa violacea, für die die Affodil-Blüten offensichtlich besonders attraktiv sind. Während A. sardoa für die Bestäubung von A. aestivus vermutlich keine Bedeutung hat, sind Xylocopa cantabrita und X. violacea aufgrund ihrer Körpergröße und ihres Verhaltens in der Blüte besonders effiziente Bestäuber.
Lebensraum von Andrena sardoa im Süden Portugals mit einem Bestand von Asphodelus aestivus im Bildmittelgrund. Rechts oben ist auf einer frisch bearbeiteten Fläche die charakteristische Terra rossa zu erkennen. Die Terra rossa wird auch Kalkstein-Rotlehm genannt. Die durch fein verteiltes Hämatit leuchtend rotbraun gefärbten Böden sind äußerst tonreich. Sie sind daher für die Landwirtschaft sehr schwer zu bearbeiten. Der Rotlehm wird in trockenem Zustand äußerst hart und erschwert das Graben von Nestgängen ungemein. Aber gerade hier fand ich Andrena sardoa, die demnach in der Lage sein muß, mit diesem Substrat für die Nestanlage zurecht zu kommen. Auffällig war dennoch, daß in den von mir besuchten Gebieten des Barrocal und der Serra nur sehr wenige bodennistende Bienenarten zu finden waren, obwohl ein vielfältiges und üppiges Blütenangebot vielerorts die nur extensiv genutzte Landschaft kennzeichnete.
In der Serra und im Barrocal ist Asphodelus aestivus (Kleinfrüchtiger Affodil) in Brachen, in lückiger »Macchie« auf Kalkfels, in lichten Korkeichenwäldern und an Straßenrändern teils einzeln, oft aber auch in größeren Herden anzutreffen. Seine Blütezeit reicht, je nach Höhenlage, von April bis Juni.
Außer Andrena sardoa fand ich an Asphodelus aestivus eine Blütenbesuchergemeinschaft von insgesamt 19 Bienenarten, von denen aber außer A. sardoa nur 9 Arten Asphodelus aestivus auch als Pollenquelle nutzten.
Ein besonders auffälliger Besucher während meiner Exkursionen in Portugal war die Holzbiene Xylocopa cantabrita, die ich an mehreren Lokalitäten des Barrocal und der Serra fand. Offenbar ist A. aestivus für diese markante Bienenart von hoher Attraktivität. Die Männchen patrouillieren in rasantem Tempo die Blütenstände.
Die Weibchen sah ich an Asphodelus aestivus auch Pollen sammeln. Madian (1994) beobachtete außerdem eine Paarung auf dem Blütenstand.
Die auch in Deutschland verbreitete Blattschneiderbienenart Megachile circumcincta wurde ebenfalls als Pollensammlerin beobachtet. Dieses Weibchen hat ihre Scopa auf der Unterseite des Hinterleibs bereits reich mit dem orangeroten Affodil-Pollen gefüllt.
Hier habe ich für Sie eine kleine Galerie mit weiteren Fotos von Andrena sardoa und der Landschaft, in der diese Art lebt, zusammengestellt. Alle Bilder entstanden während meines Aufenthalts in Portugal im Jahr 2006. Die unten zitierte Studie von A. Madian, deren Bienenaufsammlung mir zur Bearbeitung vorlag und die in obiger Publikation berücksichtigt wurde, war Anlaß für die Ortswahl.
Literatur:
Madian, A. (1994): Vergleichend-morphologische, blüten- und reproduktionsbiologische
Untersuchungen an Arten der Gattung Asphodelus L. (Asphodelaceae) im
Süden Portugals (Algarve). – Diplomarbeit im Studienfach Biologie
am Institut für Allgemeine Botanik der Universität Hamburg, 159 S.
----------------------------
24. Dezember 2007, aktualisiert am 2. Januar 2021