Die Gattung Rophites ist mit 16 Arten rein paläarktisch verbreitet: von Marokko und Spanien über Südrußland bis in die Mongolei, mit Schwerpunkt im östlichen Mittelmeerraum und Anatolien (Ebmer 1993). In Deutschland kommen nur drei Arten vor. R. hartmanni wurde erst jüngst in Deutschland nachgewiesen (Zimmermann et al. 2023).
Der Gattungsname ist vom griechischen Zeitwort rhopheo, ich schlürfe, abgeleitet. Von den Gattungen Dufourea und Rhophitoides unterscheidet sich die Gattung Rophites durch eine Reihe von Merkmalen, von denen eines deswegen bemerkenswert ist, weil es bei keiner anderen der heimischen Bienengattungen bekannt ist: die Stirn der Weibchen trägt zu Stacheln umgebildete Haare, eine Einrichtung zum Pollensammeln in kleinen Blüten von Lippenblütlern (Lamiaceae). Schlürfbienen sind dicht gelblich behaart und auf dem Abdomen hellgebändert. Die Fühler sind beim Weibchen kurz, beim Männchen lang. Die heimischen Rophites-Arten sind so typisch, daß man sie eigentlich nicht mit anderen Bienen verwechseln kann, allerdings ist im Feld eine Differenzierung auf Artebene meist nicht möglich. Hierbei können nur die Flugzeit und der spezielle Blütenbesuch Hinweise für eine artliche Zuordnung geben. Zur exakten Bestimmung sind optische Hilfsmittel (Binokular) notwendig.
Rophites algirus, Männchen
Rophites algirus, Weibchen
Taxonomisch-systematische Publikationen nach 1930: Schwammberger (1971), Warncke (1979, 1980, 1982), Ebmer (1993). Illustrierte Bestimmungstabellen für alle Arten der Gattung bringen Ebmer & Schwammberger (1986). Zur Unterscheidung der Arten kann auch Amiet et al. (1999) dienlich sein.
In Deutschland sind die wärmeliebenden Rophites-Arten alles andere als häufig. Ihr bevorzugter Lebensraum sind Magerrasen und Säume der Ebene und des Hügellandes (R. algirus) sowie Ruderalfluren trockenwarmer Standorte und spät gemähte Wiesen des Hügellandes (R. quinquespinosus).
Alle Arten leben solitär und nisten im Boden, in der Regel in kleinen Kolonien (20–30 Nester), an schütter bewachsenen, sandig-lehmigen, manchmal durch Bäume geschützten Stellen. Die Nesteingänge, die oft am Grunde von Grasbüscheln liegen, sind kreisrund, 5 mm weit und werden offensichtlich nie verschlossen. Vor der Nestöffnung liegt ein mehr oder weniger großes Häufchen Erde, das beim Ausschachten des Ganges angefallen ist. Stoeckhert (1922) hat über den Nestbau von R. quinquespinosus berichtet. Ein Hauptgang führt in leichten Biegungen bis in eine Tiefe von 12–15 cm unter der Erdoberfläche. Der Gang selbst ist 6 mm weit und offensichtlich etwas geglättet, wohl aber nicht mit einem Sekret ausgekleidet. Die 8–10 Brutzellen pro Nest liegen seitlich des Hauptganges und zwar am Ende kurzer, nur 5–7 mm langer Seitengänge, die unregelmäßig nach den verschiedensten Richtungen abzweigen. Manchmal liegen zwei Brutzellen dicht hintereinander. Die obersten Zellen liegen 6 cm unter dem Eingang. Die Brutzellen sind kugelrund und glattwandig. Eine deutliche Auskleidung ist nicht zu erkennen, aber wahrscheinlich dennoch vorhanden. Zum Gang hin werden die Zellen nach Fertigstellung mit Erde verschlossen. Stoeckhert vermutet aufgrund seiner (wenigen) Beobachtungen, daß zuerst mehrere Zellen mit Pollen versorgt und die Eiablage schubweise erfolgt. Auch wenn ich dies für unwahrscheinlich halte, so sind doch weitere Beobachtungen notwendig, um diese Vermutung zu bestätigen oder zu widerlegen.
Die heimischen Rophites-Arten sind ausgesprochene Spezialisten von Lippenblütlern (Lamiaceae), wobei aufgrund ihrer spezifischen Pollenernteeinrichtung (Stirnstacheln) nur Pflanzenarten mit kleinen Blüten wie Aufrechter Ziest (Stachys recta), Schwarznessel (Ballota nigra) und Heil-Ziest (Betonica officinalis) als Pollenquellen dienen. Schon vor vielen Jahren hatte ich bei R. algirus und R. quinquespinosus ein spezielles Verhalten beim Pollensammeln entdeckt (Westrich 1990). Die Weibchen der Gattung Rophites, zu der auch der in Österreich vorkommende R. hartmanni gehört, trinken beim Blütenbesch zunächst Nektar. Dann kommen sie mit dem Kopf ein wenig aus der Blüte heraus und bringen gezielt die Stirn, die mehr oder weniger nach vorne geneigte, stachelartige Haare aufweist, mit den Staubbeuteln in Berührung. Dabei wird der Pollen zwischen den Stirnhaaren abgelagert. Anschließend wird dieser mit den Vorderbeinen über die Mittelbeine in den Pollenspeicher der Hinterbeine umgelagert. Bei der Pollenernte ist gleichzeitig ein deutlich vernehmbares, wiederholtes Summen zu hören (englisch buzzing).
Die Männchen patrouillieren an schönen Tagen rastlos an den Blütenständen, stets in Erwartung eines Weibchens. Ihr Anflug an die Blüte ist rasch und stoßweise und von einem ziemlich lauten und hellen Summen begleitet. Die Nächte verbringen sie, manchmal zu mehreren, im Blütenbereich ihrer Futterpflanzen, indem sie sich mit den Beinen anklammern.
Ein Weibchen von Rophites quinquespinosus fliegt zur Pollenernte eine Blüte des Heil-Ziests (Betonica officinalis) an. Beachte die Pollenkörner in den Stirnstacheln zwischen den Fühlern.
Biastes emarginatus.
Die Rophites-Arten sind Früh- und Hochsommerarten, die in der Zeit von Mitte Juni bis Mitte August fliegen. Sie haben nur eine Generation im Jahr (univoltin).
Amiet, F., Müller, A. & Neumeyer, R. (1999): Apidae 2. Colletes, Dufourea, Hylaeus, Nomia, Nomioides, Rhophitoides, Rophites, Sphecodes, Systropha. – Fauna Helvetica 4, 210 S.
Ebmer, A. W. (1993): Die Bienengattung Rophites Spinola 1808 (Insecta: Hymenoptera: Apoidea: Halictidae: Rophitinae). – Linzer biol. Beitr. 25 (1): 3–14.
Ebmer, A. W. & Schwammberger, K.-H. (1986): Die Bienengattung Rophites Spinola 1808 (Insecta: Hymenoptera: Apoidea: Halictidae: Dufoureinae). Illustrierte Bestimmungstabellen. – Senckenbergiana biol. 66: 271–304.
Schwammberger, K.-H. (1971): Beitrag zur Kenntnis der Bienengattung Rhophites Spinola (Hymenoptera, Apoidea, Halictidae). – Bull. Rech. agron. Gembloux 6: 578–584.
Stoeckhert, E. (1922): Über die Lebensweise von Rhophites 5–spinosus Spin. (Hym Apid.). – Dt. Ent. Z. 1922: 381–392.
Warncke, K. (1979): Beitrag zur Bienenfauna des Iran: 3. Die Gattung Rophites Spin., mit einer Revision der westpaläarktischen Arten der Bienengattung Rophites Spin. – Boll. Mus. Civ. Storia Naturale Venezia, 30: 111–155.
Warncke, K. (1980): Rophites quinquespinosus Spinola und R. trispinosus Pérez – eine oder zwei Bienenarten ? (Apidae, Halictinae). – Entomofauna 1: 37–52.
Warncke, K. (1982) Nachtrag zur Bienengattung Rophites in der Westpaläarktis.
– Boll. Mus. Civ. Stor. nat. Venezia 32
(1981): 167–169.
Zimmermann, R., Schwenninger, H.R. & Bertsch, L. (2023): Die Östliche Schlürfbiene Rophites hartmanni Friese, 1902
neu für Deutschland (Hymenoptera: Halictidae). – Anthophila 1: 1–7.
Ein blauer Link verweist auf einen Steckbrief.
Rophites algirus
Rophites hartmanni
Rophites quinquespinosus