Die Gattung Osmia ist mit zahlreichen Arten vorwiegend in der nördlichen Hemisphäre verbreitet (Michener 1979). Aus Deutschland sind 41 Arten bekannt (Österreich: 45, Schweiz: 54).
Größe: 7–14 mm. Mauerbienen sind meist kleine bis mittelgroße Bienen. Viele Arten fallen durch ihren gedrungenen Körperbau und ihre starke Behaarung auf. Die Grundfarbe ist oft schwarz, doch gibt es auch metallisch blau, grün oder kupfern gefärbte Arten. Bei O. andrenoides ist der Hinterleib rot. Manche kleineren und schlanken Arten, z. B. O. leucomelana, können mit Heriades oder Chelostoma verwechselt werden. Eine ganze Reihe von Osmien läßt sich aber im Feld gut bis zur Art ansprechen, hierbei kann auch der Blütenbesuch ein wichtiges Hilfsmittel der Arterkennung sein (oligolektische Arten). Bei den Weibchen bieten der charakteristisch gefärbte Pelz und die Farbe der Bauchbürste brauchbare Anhaltspunkte. Einige Arten haben zudem hörnerartige Fortsätze an der Basis der Mandibeln (z. B. Osmia cornuta, O. bicornis). Bei der Bestimmung mit optischen Hilfsmitteln achte man auch auf den Vorderrand des Clypeus (Kopfschild), der ein zusätzliches gutes Merkmal darstellt. Die Männchen haben oft am Bauch und am Hinterleibsende verschiedenartige Fortsätze (Dornen, Zähne) oder Ausbuchtungen; manchmal ist auch das letzte Fühlerglied verlängert und zugespitzt.
Mauerbienen finden wir in den unterschiedlichsten Lebensräumen. Überwiegend handelt es sich bei ihnen um Offenlandsarten. Nur wenige leben in lichten Wäldern (O. pilicornis, O. uncinata). Lebensräume sind Magerrasen (O. spinulosa), Ruderalflächen oder Brachen (O. tridentata), aufgelassene Sand-, Kies- und Lehmgruben sowie Steinbrüche und Abwitterungshalden (O. andrenoides) sowie reichstrukturierte Waldränder (O. parietina) und lichte Wälder. O. maritima besiedelt Küstendünen. Einige Arten sind synanthrop und regelmäßig in Gärten und Parks zu finden (O. cornuta, O. bicornis). Es gibt mehrere in den Alpen verbreitete Formen (z. B. O. lepeletieri, O. loti), von denen manche auch in Mittelgebirgen und/oder in Nordeuropa verbreitet sind (bzw. waren) (z. B. O. lepeletieri, O. tuberculata).
Die Lebensweise und der Nestbau sind innerhalb der Gattung Osmia mannigfaltig entwickelt, so daß sich hier nicht nur eine Fülle faszinierender Beobachtungsmöglichkeiten ergibt. Eine zusammenfassende Darstellung hat bereits Malyshev (1937) mit seiner »Lebensgeschichte der Osmien« geliefert. Dennoch ist noch vieles aus dem Leben dieser hochinteressanten Bienen unbekannt. Die mitteleuropäischen Osmien sind typische Solitärbienen. Lediglich O. inermis und bisweilen O. mustelina zeigen Vorstufen eines Sozialverhaltens. Osmien zeichnen sich außerdem durch eine außergewöhnliche Vielfalt verschiedener Nistweisen aus. Das Spektrum reicht von Bauten, die aus Lehm, zerkauten Laubblättern oder Ausschnitten von Blütenblättern in bereits vorhandenen Hohlräumen (Erdröhren, Käferfraßgänge, hohle Pflanzenstengel, leere Schneckenhäuser, Felsspalten) angelegt werden, bis zu den aus mineralischem Material (Erde, Steinchen) frei an Steinen errichteten Nestern. Sowohl die Wahl des Nistplatzes als auch die Verwendung von Baumaterialien sind in unterschiedlichster Weise miteinander kombiniert. Man stößt deshalb auf Schwierigkeiten, will man die Mauerbienen nach bestimmten Gesichtspunkten ihrer Nistweise gliedern. Ihr deutscher Gattungsname dürfte daher rühren, daß manche Arten ihre Nester in oder an Mauern bauen.
Osmia bicornis, Weibchen beim Verschließen seines Nestes mit Lehm.
Osmia bicolor, Weibchen beklebt die Außenseite eines Schneckenhauses, in dem das Nest angelegt wird, mit zerkleinertem Blattmaterial.
Osmia lepeletieri, Weibchen beim Bau einer Brutzelle aus Lehm und kleinen Steinchen.
Osmia papaveris, Weibchen bei der Auskleidung seiner im Sandboden angelegten Brutzelle mit Blütenblattstücken des Klatsch-Mohn (Papaver rhoeas).
Eine grobe Unterteilung der Nistweisen könnte folgendermaßen aussehen:
Nester
Baumaterial
Was das Pollensammeln betrifft, so sind einige Osmia-Arten ausgesprochen polylektisch (z. B. O. bicornis, O. bicolor), andere zeigen mehr oder weniger enge Spezialisierungen, die sich in der Regel auf ganz bestimmte Pflanzengattungen, in einigen Fällen auch auf Pflanzenfamilien beziehen. So treffen wir O. cerinthidis nur an Wachsblumen (Cerinthe), O. adunca und O. anthocopoides nur an Natterkopf (Echium), O. mitis nur an Glockenblumen (Campanula), O. brevicornis nur an Kreuzblütlern (Brassicaceae), O. leaiana, O. niveata, O. spinulosa und O. villosa nur an Korbblütlern (Asteraceae) an.
Osmia spinulosa
Osmia mitis
Osmia cerinthidis
Osmia rufohirta
Die bislang als oligolektisch bekannt gewordenen Arten haben folgende Spezialisierungen:
Regelmäßig treten als Kuckucksbienen der Osmien verschiedene Düsterbienen (Stelis) auf, vereinzelt auch Kegelbienen (Coelioxys) und Zweizahnbienen (Dioxys).
Die Arten der Gattung Osmia kann man vom zeitigen Frühjahr bis zum Herbst beobachten. Bei manchen Arten fällt die Erscheinungszeit in die Monate März und April (z. B. Osmia bicolor, O. cornuta, O. pilicornis), andere fliegen vorwiegend im Mai (z. B. O. bicornis, O. xanthomelana), im Juni (z. B. O. claviventris, O. leucomelana) oder im Hochsommer (O. spinulosa). Je nach Witterung, geographischer Lage und Höhe können sich die Flugzeiten auch verschieben. Bei manchen Arten leben die Weibchen außerdem sehr lange (O. adunca, O. bicolor, O. aurulenta). Die Proterandrie ist bei Osmia ausgeprägt, da die Männchen meist bereits 1–2 Wochen vor den Weibchen erscheinen. Die meisten Arten haben nur eine Generation im Jahr, für einige wenige ist jedoch eine zumindest partielle zweite Generation nachgewiesen (O. caerulescens, O. niveata). Die Frühlingsarten überwintern als Imagines, die später fliegenden als Ruhelarven im Kokon.
Mit der artenreichen Tribus Osmiini haben sich in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Autoren intensiv befaßt. Sie kommen zu weit aus ein anderliegenden Auffassungen über die Verwandtschaftsbeziehungen und über den systematischen Rang (Gattung/Untergattung) einzelner Gruppen. So erkennt Warncke (1988) in der Paläarktis nur eine Gattung Osmia an, Michener (2007) unterscheidet in der westlichen Hemisphäre 8 Gattungen und van der Zanden (1988) 10 Gattungen. Während Schwarz et al. (1996) bei dem bestehenden Gebrauch (drei Gattungen Heriades, Chelostoma, Osmia) geblieben sind, waren H. H. Dathe und ich (Westrich & Dathe 1997) der Meinung, daß nur die Großgattung Osmia die unterschiedlichen Auffassungen auf einen gemeinsamen Nenner bringt, zumal die Kerngruppen der Osmiini ein gut belegtes Monophylum bilden. Wir haben damals empfohlen, auf eine phylogenetische Analyse zu warten, um eine Entscheidungshilfe zu gewinnen. Praz et al. (2008) haben das Tribus Osmiini mittlerweile erneut bearbeitet und zur Klärung der generischen und subgenerischen Beziehungen mit genetischen Untersuchungen die Phylogenie dieses Komplexes neu bewertet. Es bestätigt mit wenigen Ausnahmen die Auffassung von Michener (2007). Es ist zu bedauern, daß sich die Autoren nicht dazu entschlossen haben, die verschiedenen Abstammungslinien als Untergattungen zu werten und zu einer Großgattung Osmia zurückzukehren mit Heriades, Chelostoma etc. als Untergattungen. In Anbetracht der außerordentlichen Vielfalt der Morphologie und der Lebensweisen im Tribus Osmiini kann man allerdings die Entscheidung von Praz et al. nachvollziehen, weil die Namen der einzelnen Gattungen auch einen gewissen Informationswert haben. Beide Entscheidungen, Großgattung oder eine Vielzahl von Gattungen, sind von nomenklatorischer Relevanz. Wendet man die Klassifikation von Praz et al. auf den hier behandelten Bezugsraum an, kommt man zu vier Gattungen Heriades, Chelostoma, Osmia und Hoplitis. Dies entspricht fast dem früheren Gebrauch. Nach reiflicher Überlegung und aus pragmatischen Gründen der Erleichterung der Bestimmung am Schreibtisch und der Zuordnung im Feld für Nicht-Wissenschaftler schließe ich mich zumindest teilweise der Auffassung dieser Autoren an und trenne wie früher zwischen Heriades, Chelostoma und Osmia. In der Paläarktis gibt es viele Arten, die in morphologischer Hinsicht Zwischenformen zwischen Osmia und Hoplitis bilden (u. a. Osmia rufohirta, O. andrenoides), was für eine gemeinsame Gattung Osmia spricht. Meine Entscheidung, zwischen Osmia und Hoplitis nicht zu trennen, ist auch im Einklang mit den Ergebnissen von Praz et al., da Osmia + Hoplitis ein Monophylum bilden. Die Autoren beziehen sich explizit auf mehrere Publikationen (Westrich 1989, Schwarz et al. 1996, Amiet et al. 2004) und bestätigen die Vereinigung in einer Gattung mit den Worten »is not incongruent with our phylogeny«. Wer es dennoch vorzieht, dem System von Michener (2007) bzw. der Klassifikation von Praz et al. (2008) zu folgen, der findet in der Synonymieliste eine Gegenüberstellung der jeweiligen Namen.
Zur Bestimmung seien die Schlüssel von Amiet et al. (2004) und Scheuchl (2006) empfohlen. In beiden Werken wird nicht zwischen Osmia und Hoplitis unterschieden.
Amiet, F., Herrmann, M., Müller, A. & Neumeyer R. (2004): Apidae 4. Anthidium, Chelostoma, Coelioxys, Dioxys, Heriades, Heriades, Megachile, Osmia, Stelis. - Fauna Helvetica 9, 273 S.
Malyshev, S. I. (1937): Lebensgeschichte der Osmien (Osmia Latr. (Hymen. Apoidea). – Zool. Jb. Syst. 69: 107–176.
Michener, C. D. (2007): The Bees of the World. 2. Aufl. Baltimore and London (The John Hopkins University Press) (1. Auflage 2000).
Praz, C. J., Müller, A., Danforth, B. N. , Griswold, T.L., Widmer, A. & Dorn, S. (2008). Phylogeny and biogeography of bees of the tribe Osmiini (Hymenoptera: Megachilidae). – Mol. Phylo. Evol. 49(1): 185–197.
Scheuchl, E. (2006): Illustrierte Bestimmungstabellen der Wildbienen Deutschlands und Österreichs. Band II: Megachilidae - Melittidae. 192 S. (Eigenverlag). - Neubearbeitung.
Schwarz, M., Gusenleitner, F., Westrich, P. & Dathe, H. H. (1996): Katalog der Bienen Österreichs, Deutschlands und der Schweiz (Hymenoptera, Apidae). – Entomofauna, Supplement 8, 398 S.; Linz.
Warncke, K. (1988): Die Bienengattung Osmia Panzer, 1806, ihre Systematik in der Westpaläarktis und ihre Verbreitung in der Türkei 1 Untergattung Helicosmia Thomson, 1872 (Hymenoptera, Apidae). – Entomofauna 9: 1–45.
Westrich, P. (1989): Die Wildbienen Baden-Württembergs. 2 Bände, 972 S., 496 Farbfotos; Stuttgart (E. Ulmer). [1990 2., verb. Auflage].
Westrich, P. (2019): Die Wildbienen Deutschlands.– 2., aktualisierte Auflage, 824 S., 1700 Farbfotos. Stuttgart (E. Ulmer).
Zanden, G. van der (1988): Beitrag zur Systematik und Nomenklatur der paläarktischen Osmiini, mit Angaben über ihre Verbreitung. – Zool. Mededelingen 62: 113–133; Leiden.
Ein blauer Link verweist auf einen Steckbrief.
Osmia acuticornis
Osmia adunca
Osmia andrenoides
Osmia anthocopoides
Osmia aurulenta
Osmia bicolor
Osmia bicornis
Osmia brevicornis
Osmia caerulescens
Osmia cerinthidis
Osmia claviventris
Osmia cornuta
Osmia gallarum
Osmia inermis
Osmia labialis
Osmia laticeps
Osmia leaiana
Osmia lepeletieri
Osmia leucomelana
Osmia loti
Osmia maritima
Osmia mitis
Osmia mustelina
Osmia nigriventris
Osmia niveata
Osmia papaveris
Osmia parietina
Osmia pilicornis
Osmia ravouxi
Osmia rufohirta
Osmia spinulosa
Osmia steinmanni
Osmia submicans
Osmia tridentata
Osmia tuberculata
Osmia uncinata
Osmia versicolor
Osmia villosa
Osmia viridana
Osmia xanthomelana